OMV-Chef Seele: "Ich habe viele neue Freunde im Iran"

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Der neue OMV-Chef, Rainer Seele, sieht sich trotz "kollegialen Umgangs" mit Gazprom-Chef Miller nicht als Russland-Freund. Wer hierzulande rot und wer schwarz ist, ist für ihn "vollkommen nebensächlich". Im Iran will er aktiv werden.

Im Frühjahr bezeichnete Sie ein Gazprom-Manager gegenüber der „Presse“ als Gazproms besten Mann in Europa. Sind Sie das?

Rainer Seele: Das ist eine absolut falsche Aussage. Ich bin für die OMV in Europa aktiv und an ihrem Erfolg interessiert. Dafür werden wir aber Partner brauchen, und Gazprom ist ein langjähriger Partner, den wir hoch schätzen.

Sie wollen die OMV aber beispielsweise durch einen gegenseitigen Tausch von Geschäftsaktivitäten stärker an die Gazprom binden. Begibt man sich da nicht in eine mitunter gefährliche Abhängigkeit?

Das Wort Abhängigkeit trifft hier nicht zu. Es ist eine gegenseitige Vereinbarung. Und in der gesamten Wertschöpfungskette ist ab der russisch-europäischen Grenze die OMV der dominierende Partner. Wir haben schon über 50 Jahre Erfahrung mit der Gazprom und kennen sie daher auch sehr gut. Außerdem haben und werden wir immer auch in anderen Ländern Partner haben.

Dennoch kritisieren viele Beobachter, dass durch den Deal die EU-Strategie der Diversifizierung von Energielieferanten hintertrieben werde. Was entgegnen Sie dem?

Wir sind auch weiterhin an einer Diversifizierung interessiert. Das heißt aber nicht, dass wir versuchen, bestehende Quellen abzuschalten, sondern dass wir versuchen, neue Quellen zu erschließen. Dafür gibt es in Europa aber kaum mehr Potenzial, und Nordafrika bereitet uns derzeit eher große Sorgen. Diversifizierung wird es also nur durch Flüssiggas geben. Durch unsere Vereinbarungen mit Russland wird hingegen der bereits vorhandene Gasbezug aus Russland abgesichert.

Sie werden also nicht mehr russisches Gas kaufen?

Das ist nicht Gegenstand dieser Vereinbarung. Für die Ewigkeit schließe ich das nicht aus.

Es gibt aber auch den Asset-Tausch, durch den Sie einen Teil eines sibirischen Gasfeldes erhalten sollen. Steigt dadurch nicht der Anteil russischen Gases in Ihrem Portfolio?

Wir sind an dieser Produktion außerordentlich stark interessiert, da sie sehr kostengünstig ist. Wenn man sich auf der Weltkarte ansieht, wo es neue Möglichkeiten für Förderungen gibt, dann ist Russland mit Abstand jene Region, wo wir mit den niedrigsten Kosten akquirieren und produzieren können. Der Fokus der OMV muss dort sein, wo am meisten Öl und Gas zu finden ist. Und da gibt es halt nur zwei Regionen: Russland und den Nahen Osten.

Was muss die OMV für dieses sibirische Gasfeld hergeben?

Das werden wir mit der Gazprom erst besprechen. Derzeit konzentrieren wir uns darauf, uns das Asset in Russland anzusehen. Hier brauchen wir auch noch einige Wochen, um die Daten auszuwerten.

Und was sieht sich die Gazprom bei der OMV an?

Zurzeit gar nichts.

BASF, die Mutter Ihres Ex-Unternehmens Wintershall, hat jüngst sämtliche Gasspeicher in Deutschland gegen russische Gasfelder eingetauscht. Wäre das eine Option für Österreich?

Ich werde hier keine Andeutungen machen. Das hat auch keinen Sinn.

Die Kritik an der neuen Nähe zu Russland kommt vor allem aus der Politik. Sind die Sanktionen übertrieben?

Die OMV hat eine rein wirtschaftliche Entscheidung getroffen, und unsere Vereinbarung verstößt auch nicht gegen die Sanktionen. Zum Thema Sanktionen hat sich die deutsch-russische Außenhandelskammer (Seele ist deren Präsident, Anm.) bereits eindeutig geäußert. Sie sagt, dass drei Viertel der beschlossenen Sanktionen in ihrer Wirkung nicht zielführend sind. Der einzige Effekt davon ist eine Verschlechterung der Handelsbeziehung, die zu einer schwächeren Wettbewerbssituation europäischer Unternehmen in Russland führt. Wir unterstützen die Sanktionsspirale daher nicht.

Was wäre dann die richtige Antwort Europas auf die Ereignisse in der Ukraine gewesen?

Europa hatte politisch keine andere Alternative, als so ein Zeichen zu setzen. Es war die einzige diplomatische Möglichkeit, mit Sanktionen zu reagieren. Ich kritisiere daher ja auch gar nicht, dass man diesen Weg gegangen ist. Man muss sich aber auch die viel wichtigere Frage stellen: Wie können wir die desolate Situation in der Ukraine stabilisieren? Und dabei geht es auch um die Wirtschaft. Nur mit einer wirtschaftlichen Stabilisierung kann es auch eine politische Stabilisierung geben.

Sind Projekte wie Nord Stream, bei denen die Ukraine umgangen werden soll, bei dieser wirtschaftlichen Stabilisierung hilfreich?

Gazprom-Chef Alexei Miller hat ausdrücklich festgehalten, dass Nord Stream zusätzliche Gasmengen nach Europa bringen soll. Es geht hier also nicht um die Umgehung der Ukraine.

Dennoch gibt es in Europa viele Ressentiments gegenüber Russland. Sie haben bei Wingas – einem Joint Venture von Wintershall und Gazprom – lange Jahre direkt für die Russen gearbeitet. Warum gibt es hier so viele kulturelle Missverständnisse?

Die Vorbehalte, die es in Europa gegenüber Russland gibt, kann ich durchaus nachvollziehen. Russland verhält sich in der Kommunikation mit dem Westen manchmal einfach nicht sehr geschickt, weshalb es hier an Vertrauen mangelt. Im Gegenzug gibt es aber auch in Russland Vorbehalte gegenüber dem Westen. Dort höre ich immer, dass man das Gefühl habe, in Europa nicht willkommen zu sein. Wir sollten also auch darauf achten, solche Signale nicht zu setzen. Daher finde ich es auch nicht richtig, dass im Rahmen der Ukraine-Krise der Dialog mit Russland abgebrochen wurde. Das sorgte für eine weitere Distanzierung zwischen Russland und Europa.

Sie gelten, etwa wegen Ihres freundschaftlichen Umgangs mit Gazprom-Chef Miller, als Russland-Freund. Sind Sie das?

Ich habe so viele Freunde auf der Welt. Die meisten habe ich, glaube, ich in den Arabischen Emiraten. Aber ich habe jetzt auch viele neue Freunde im Iran gefunden. Ich habe Freunde in Libyen, in Norwegen. Mich wegen einer guten, kollegialen Beziehung zu Gazprom als Russland-Freund zu sehen ist daher falsch.

Sprechen Sie Russisch?

Nur ein paar Floskeln.

Neben Russland ist ja der Iran ein neues Land der Hoffnung für die Energiebranche. Sie waren zusammen mit Bundespräsident Heinz Fischer jüngst dort und meinten eben, dass Sie im Iran nun neue Freunde haben. Wird die OMV im Iran aktiv werden?

Ich bin mit sehr positiven Eindrücken aus dem Iran zurückgekommen. Auf beiden Seiten besteht starkes Interesse an einer Zusammenarbeit. Wir als OMV werden uns daher die Möglichkeiten sehr genau ansehen. Wir haben dort auch einen großen Vorteil: Wir kennen den Iran, es ist für uns kein Neuland. Wir müssen uns aber genau überlegen, wie wir uns in diesem harten Wettbewerb durchsetzen. Denn viele andere Unternehmen wollen dort ebenfalls ins Geschäft kommen.

Die OMV hatte bereits vor rund zehn Jahren ein Memorandum of Understanding, in dem es um die Entwicklung des Gasfeldes South Pars ging. Könnte diese Vereinbarung zu neuem Leben erweckt werden?

Das MoU ist Schnee von gestern. Das liegt so weit zurück, dass man darauf nicht mehr aufsetzen kann. Wir müssen jetzt einmal abwarten, welche Rahmenbedingungen der Iran setzt, um als Investor dort tätig werden zu können. Außerdem haben wir im Iran eher eine Präferenz für den Ölbereich. Bevor wir operativ tätig werden können, müssen wir aber ohnehin einmal abwarten, bis die Sanktionen außer Kraft gesetzt sind. Wir werden da keine rechtlichen Risken eingehen.

Das heißt, am Tag, an dem die Sanktionen fallen, ist die OMV bereit, sofort loszulegen.

Wir werden bis dahin sicher nicht in Wien sitzen und Däumchen drehen. Wir werden in Gesprächen mit der NIOC (National Iranian Oil Company; Anm.) Projekte konkretisieren und die Eckpunkte festlegen.

Wie schnell könnte die Förderung nach dem Ende der Sanktionen, und in weiterer Folge die Lieferung nach Europa beginnen? Hier hört man sehr unterschiedliche Angaben.

Das wird auch weiterhin so sein. Denn zum Teil sind diese Aussagen natürlich von politischen Motiven getrieben. Andererseits sprechen auch die Unternehmen von komplett verschiedenen Projekten. Eine Lieferung von Gas aus dem Iran nach Europa sehe ich jedoch innerhalb dieser Dekade nicht. Denn da müsste zuerst einmal die lokale Infrastruktur ausgebaut werden. Außerdem gibt es in der Region auch genügend Bedarf nach Erdgas. Die Priorität wird also auch aufseiten des Iran bei Öl liegen, weil man hier schnell Einnahmen erzielen kann. Ein Riesenpotenzial gibt es bei der Steigerung der Ausbeute aus bestehenden Feldern. Und hier ist auch die OMV technologisch besonders stark.

Das heißt, es wird auch nach dem Ende der Iran-Sanktionen keine Wiederbelebung der Gas-Pipeline Nabucco geben?

Aus meiner Sicht gibt es dafür keine Grundlage.

Im Iran gilt ja wiederum Österreich als besonderer Freund, weil die heimische Politik auch in Zeiten der diplomatischen Verstimmung immer besonders iranfreundlich geblieben ist. Könnten Sie nun davon profitieren?

Ich würde das gar nicht im Konjunktiv formulieren. Wir haben aufgrund der politischen Unterstützung gute Startbedingungen und profitieren davon.

Sowohl das Abkommen in Russland als auch die Kontaktaufnahme mit dem Iran sind ziemlich schnell gegangen. Sie fielen in den ersten Wochen überhaupt durch eine Vielzahl von Entscheidungen in heiklen Fragen auf. War die OMV bisher zu langsam und vorsichtig?

Ich möchte die Vergangenheit lieber lassen, denn die kann ich ohnehin nicht ändern. Jetzt haben wir bei der OMV aber ein sehr agiles und dynamisches Vorstandsteam und werden unsere Strategie auch schnell umsetzen. Da können wir etwa bei den Kostensenkungsmaßnahmen aufgrund des verschärften Umfeldes auch gar nicht warten.

Teil der Strategie soll ja auch eine geografische Neuaufstellung sein. Es ist bekannt, dass Sie mit dem Geschäft in der Türkei nicht sonderlich glücklich sind. Wird die OMV in fünf Jahren noch in der Türkei tätig sein?

Wir haben zu alldem noch keine Entscheidung getroffen. Klar ist aber, dass wir in der Türkei derzeit Rahmenbedingungen haben, die das Geschäft für uns außerordentlich schwierig machen.

Eine andere Tochter, die immer wieder für Spekulationen sorgt, ist die zusammen mit dem OMV-Großaktionär Ipic gehaltene Chemiefirma Borealis. Sie gilt ja als Mitgrund für den vorzeitigen Abgang Ihres Vorgängers, weil er sie nicht komplett an Ipic verkaufen wollte. Hat man bei Ihnen deswegen schon angeklopft?

Wir diskutieren dieses Thema nicht. Wir haben mit der Borealis eine Perle im Portfolio und freuen uns an den sehr guten Ergebnissen. Die Borealis ist für uns eine ganz, ganz wichtige Aktivität.

Wünsche gibt es bei der OMV aber nicht nur von den Eigentümern aus den Vereinigten Arabischen Emiraten. Das Unternehmen hat immer noch eine hohe Staatsbeteiligung. Haben Sie sich mit der politischen Komponente schon auseinandergesetzt? Wissen Sie, wer rot und wer schwarz ist?

Es ist für mich keine Präferenz zu wissen, wer rot und wer schwarz ist. Das ist für mich vollkommen nebensächlich. Die Herausforderungen sehe ich eher in der wirtschaftlichen und nicht in der politischen Natur.

Und Sie glauben auch, dass Sie frei von politischen Einflüssen werden arbeiten können?

Die OMV unterliegt dem Aktienrecht, und wir als Vorstand steuern sie genau nach diesen Vorschriften.

„Politisch“ war es ja auch intern. So soll es zwischen den Anhängern von Ex-Generaldirektor Gerhard Roiss und Ex-Gas-Vorstand Hans-Peter Floren große Differenzen gegeben haben. Gibt es die noch?

Ich habe mich mit der Vergangenheit eine kurze Zeit beschäftigt, weil ich die Sorgen und Gedankengänge im Unternehmen verstehen wollte. Alles, was ich jetzt sagen kann, ist, dass wir nun eine harmonische Zusammenarbeit haben – vor allem im Vorstand. Es gibt also keine Lagerbildung in der OMV.

Aber es hat sie gegeben.

Davon habe ich gehört. Aber die Vergangenheit ist geschrieben. Die nehme ich zur Kenntnis. Interessiert bin ich an der Zukunft.

Steckbrief

1987 startet der 1960 geborene Seele seine Karriere beim deutschen Chemiekonzern BASF in Ludwigshafen. Zuvor hat er sein Chemiestudium an der Universität Göttingen absolviert.

1994 übernimmt er die Abteilung Forschungsplanung bei BASF.

1996 wechselt er zur BASF-Gas-Tochter Wintershall, wo er vorerst für die strategische Planung zuständig ist.

2000 wird Seele in die Geschäftsführung der Wintershall-Gashandelstochter Wingas (eines Joint Venture mit Gazprom) berufen, in der er 2002 auch Sprecher der Geschäftsführung wird.

2002 wird er zudem auch in den Vorstand von Wintershall berufen. Er ist dort zuständig für den Erdgashandel.

2009 übernimmt er den Vorstandsvorsitz von Wintershall.

2015 wird Rainer Seele Generaldirektor der OMV.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.09.2015)

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