VW-Dieselskandal: USA nehmen auch andere Hersteller ins Visier

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In der Affäre um manipulierte Abgastests von Volkswagen haben die USA nur eine Nebenrolle – die Handlung spielt bei uns. Jeder Hersteller trimmt seine Motoren so, dass sie die Testzyklen bestehen.

Der Skandal um manipulierte Abgaswerte bei Volkswagen zieht immer weitere Kreise: Die US-Umweltschutzbehörde EPA kündigte am Montag in Washington an, auch die Diesel-Fahrzeuge von anderen Autobauern unter die Lupe zu nehmen und auf mögliche "Abschalteinrichtungen" zu prüfen, die den Schadstoffausstoß bei Emissionstests verringern. Welchte Autobauer betroffen sind, dazu machte die Behörde zunächst keine Angaben.

Überraschend ist das keineswegs, denn von der Praxis bei diversen Autoherstellern, Dieselabgase mit einer geheimen Software so zu regeln, dass sie auf dem Prüfstand – und nur dort – die gesetzlichen Schadstoffgrenzwerte erfüllen, ist in der Branche schon lang die Rede. Es musste sich nur jemand finden, der den Nachweis erbringt. Das hat nun die amerikanische Umweltbehörde getan. Am Montag hatte das US-Justizministerium zunächst strafrechtliche Ermittlungen gegen den VW-Konzern eingeleitet. Das berichtete am Montag die Nachrichtenagentur Bloomberg unter Berufung auf zwei mit der Angelegenheit vertraute Personen in den USA.

Doch dass sich der Skandal auf die USA beschränkt, glauben Branchen-Insider nicht. Der deutsche Autoclub ACE etwa vermutet Manipulationen auch in Deutschland und spricht von einer "systematischen Verbrauchdertäuschung", die weit verbreitet sei.

Was wusste Winterkorn?

Weitere Konsequenzen dieser peinlichen und für die deutsche Autoindustrie schädlichen Affäre sind für den VW-Konzern noch gar nicht abzusehen. Eine erste wird wohl sein, dass Vorstandschef Martin Winterkorn seinen Posten räumt, die Aufsichtsratssitzung in Wolfsburg am Freitag wäre eine günstige Gelegenheit dafür. Winterkorn ist Ingenieur und bekannt dafür, in technischen Details versiert zu sein. Kaum vorstellbar, dass er über die Manipulationen nicht im Bilde war. VW-Aufsichtsrat Olaf Lies, seines Zeichens Wirtschaftsminister von Niedersachsen, forderte am Dienstag personelle Konsequenzen, ohne allerdings Winterkorn direkt zu nennen. Niedersachsen ist der zweitgrößte VW-Anteilseigner.

Der Bruch Winterkorns mit dem langjährigen VW-Patriarchen Ferdinand Piëch, der im April aus allen Funktionen ausschied, ist nun auch im Licht der Affäre zu sehen – was wusste der Alte? Der späte Triumph von Winterkorns Abgang wäre freilich ein bitterer für den Spross der Porsche-Piëch-Dynastie, die Volkswagen mitbegründet hat und bis heute maßgeblich kontrolliert.

Das größte Problem des Skandals betrifft aber nicht die USA, wo kaum Diesel-Pkw auf den Straßen sind, oder Wolfsburg, wo der schmerzhafte Prozess der Aufarbeitung ein Personalkarussell in Gang setzen wird, sondern unsere Straßen. In Europa hat der Anteil von Diesel-Pkw längst jedes gesunde Maß überschritten. Das Verschleiern der Wahrheit über Dieselabgase ist institutionalisiert und wird nicht nur von Volkswagen betrieben. Jeder Hersteller von Dieselmotoren sieht sich gezwungen, mit Kunstgriffen – nicht gerade ethisch, aber meist legal – seine Motoren so zu trimmen, dass sie die Testzyklen bestehen.

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Dabei hilft ein Prüfverfahren, das mit realen Fahrbedingungen nur am Rand zu tun hat. Es wird in Brüssel ersonnen, wo übrigens noch eine andere Behörde ihren Sitz hat – jene, die über die Luftreinhaltung wachen soll, und die Länder und Kommunen mit immer strengeren Auflagen drangsaliert.

Die Immissionen, also die tatsächlich gemessene Luftgüte, passen ja schließlich nicht. Immer mehr Tempolimits nach IG-L (Immissionschutzgesetz Luft) sind die eine Folge, Pönalen eine andere. Diese Schere darf nicht weiter aufgehen.

Am Ende ist auch der mündige Konsument gefragt, der schön langsam unterscheiden sollte zwischen Luftschadstoffen wie Stickstoffdioxid, die hochgiftig sind, und dem Klimagas Kohlendioxid. Ein Motor, der wenig CO2 ausstößt, ist noch lang nicht umweltfreundlich, auch wenn die Werbung das ungestraft behaupten darf.

Massive Lkw-Abgase

Es wäre an der Zeit, die steuerlichen Subventionen für Diesel einzustellen, auch wenn dies bislang ein gutes Geschäft für den Finanzminister ist – wenn im Transitland Österreich ausländische Frächter ihre Tanks mit billigem Diesel füllen. (Apropos: Gegen das, was der Güterverkehr, was selbst moderne Schwer-Lkw im Realbetrieb an Schadstoffen ins Freie blasen, muten Pkw-Abgase wie Schweizer Bergluft an.)

Es muss klar sein, dass für diese Fehlentwicklung ein Preis zu zahlen ist, auch wenn der in letzter Konsequenz in den Gesundheitsbereich verlagert und damit verallgemeinert wird. Luft atmen wir nämlich alle die gleiche.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.09.2015)

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