Volksmotor: Diesel auf dem Prüfstand

Volkswagen logo sits atop company´s headquarters in Wolfsburg
Volkswagen logo sits atop company´s headquarters in Wolfsburg(c) REUTERS (AXEL SCHMIDT)
  • Drucken

Die Affäre um manipulierte Abgaswerte bringt nicht nur einen Hersteller, sondern eine ganze Antriebsgattung in Verruf. Hat Volkswagen gar Österreichs beliebtesten Motor abgewürgt?

Wien. Volkswagen, der zweitgrößte Autohersteller der Welt, ist nach Bekanntwerden von Tricksereien an in den USA zugelassenen Diesel-Fahrzeugen in eine tiefe Krise gestürzt. Am Dienstag musste der Konzern wegen einer Rückstellung von 6,5 Milliarden Euro eine Gewinnwarnung bekannt geben. Der Aktienkurs fiel erneut um knapp 20 Prozent. Dies, obwohl weder Tote noch Verletzte im Spiel wären, wie zuletzt bei General Motors und Toyota. Die Affäre könnte auch Auswirkungen auf die in Österreich mit Abstand beliebteste Motorisierung haben.

1. Was bedeutet die Affäre, die in den USA ihren Ausgang genommen hat, für Österreich?

In den USA geht es um rund 500.000 Autos, zugelassen in den vergangenen fünf Jahren, also um 100.000 pro Jahr auf einem Zehn-Millionen-Markt. Zur Dimension: Allein in Österreich wurden 2013 mehr als 180.000 Diesel-Pkw zugelassen. Der Bestand hierzulande ist mit mehr als 2,6 Mio. Diesel-Pkw wohl höher als jener von ganz Nordamerika.

2. Sind auch in Österreich Dieselautos mit manipulierter Abgasregelung unterwegs?

In den USA gab es vor 15 Jahren einen Skandal um schwere Trucks, die mit Map Switching ausgestattet waren: Schalter, mit denen man die Abgasreinigung zurückfährt, um Sprit zu sparen. Diese Einrichtungen sind seit 1983 explizit verboten; die US-Behörden sind bei diesem Thema sensibilisiert. Genau hier droht auch das juristische Nachspiel. Dass Volkswagen dennoch auf dem Gebiet getrickst hat, ist deshalb so schwer nachvollziehbar. Der Hersteller steht mit der US-Umweltbehörde übrigens seit rund einem Jahr im Austausch, und es hat diesbezüglich auch schon eine Rückrufaktion gegeben. In Europa braucht es ein solches Defeat Device eigentlich gar nicht. Der Normzyklus nach Euro 6 lässt ausreichend legalen Spielraum, um „schöne“, jedenfalls ausreichende Schadstoffwerte zu erzielen. Es ist hinlänglich bekannt, dass Dieselmotoren – wie auch Benziner – im Realbetrieb dann aber mehr verbrauchen und emittieren als beim offiziellen Verfahren. Das stellt jeder Autobesitzer spätestens an der Zapfsäule fest.

3. Was ist Hysterie, und was berechtigte Sorge?

Derzeit sind schlicht zu wenige offizielle Dokumente und Aussagen sowohl von der US-Umweltbehörde als auch von Volkswagen auf dem Tisch, um Fakten von Meldungen trennen zu können. Die kolportierte 40-fache Überschreitung eines Grenzwerts etwa hält der Motorenforscher Ernst Pucher von der TU Wien für unwahrscheinlich, jedenfalls innerhalb eines genormten Prüfzyklus. Der Dieselmotor ist derweil generell unter Beschuss geraten. Bei Messungen im Realbetrieb zeigt sich, dass auch neueste Euro-6-Diesel vor allem in der Stadt überhöhte Werte bei Stickoxiden aufweisen, speziell beim NO2 (Stickstoffdioxid).

(c) Die Presse

4. Wird der Dieselmotor also grundsätzlich bald abgewürgt?

Zunächst: Von wem? Allein in Österreich sind mehr als 2,6 Mio. Diesel-Pkw auf den Straßen (gegen etwa zwei Mio. Benziner), von Bussen, Lkw und landwirtschaftlichem Gerät nicht zu reden. Wenn man solche Fahrzeuge aus dem Verkehr ziehen wollte – auf welcher Basis? Gemäß Normzyklus haben sie ihre Werte erfüllt, und ein anderes behördliches Prozedere gibt es nicht. Auch in näherer Zukunft kann niemand belangt werden, weil seine Motoren, zum Beispiel in ein schweres SUV verbaut, bei 150 km/h auf der Autobahn Unmengen an Schadstoffen ausstoßen. Auch die auf Euro 6 folgende Prüfnorm werden Dieselmotoren bestehen. Doch der Aufwand bei der Abgasreinigung steigt stetig und macht die Motoren teuer. In der Herstellung kosten Dieselmotoren heute schon das Doppelte eines Benziners, oft auch mehr. Speziell bei kleineren Fahrzeugen stimmt die Rechnung dann nicht mehr. Sollte auch noch die steuerliche Bevorzugung des Dieselkraftstoffs fallen und er gleich besteuert werden wie Benzin, wird Diesel sogar teurer – in der Herstellung wird mehr Rohöl für ihn aufgewendet, und der Energiegehalt ist höher. Spätestens dann wird das Schicksal des Dieselmotors entschieden sein – der Markt wird es regeln. Doch fürs Erste bleibt Europa eine Dieselregion.

5. Die Welt wird der Dieselmotor also nicht mehr erobern?

Unwahrscheinlich. In Asien und den USA spielt der Antrieb schon traditionell keine Rolle, und die „Dieselphase“ zur Absenkung der CO2-Emissionen – und genau dies ist die Triebfeder der Hersteller bei der Entwicklung der Motoren – wird man auf dem vorgezeichneten Weg zu „zero emissions“ eher überspringen. Blickt man weiter in die Zukunft, sieht man ein Nebeneinander von Brennstoffzellenantrieb mit Wasserstoff als Treibstoff und batterieelektrischen Autos. Auto-Deutschland zeigt sich gerade übrigens auffallend entschlossen, auf dem Gebiet ganz vorn mitmischen zu wollen.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.