Energie: Gütesiegel befeuert Versorgeraktien

E.On hat, so wie die drei Konkurrenten, genug Geld für den AKW-Ausstieg.
E.On hat, so wie die drei Konkurrenten, genug Geld für den AKW-Ausstieg.(c) Bloomberg (Krisztian Bocsi)
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Der Stresstest bescheinigt den deutschen AKW-Betreibern genügend Finanzkraft, um den Ausstieg allein stemmen zu können. Die Anleger reagieren erleichtert.

Berlin. Spekulationen sind nie gut für's Geschäft, vor allem, wenn es um milliardenschwere Finanzlücken geht. Und so haben Medienberichte, wonach die vier deutschen AKW-Betreiber RWE, E.On, EnBW und Vattenfall um rund 30 Mrd. Euro zu wenig für den Atomausstieg rückgestellt hätten, die Aktien durchgebeutelt. Allein das RWE-Papier hat seit Jahresbeginn rund 60 Prozent an Wert verloren.

Nach dem nun vorliegenden Stresstest zu den Nuklearrücklagen atmeten die Anleger, die fürchteten, dass die Politik höhere Rückstellungen für den Abriss der Atommeiler und die dauerhafte Sicherung des Atommülls fordern könnte, am Montag sichtbar auf. Die Aktien von RWE und E.On schossen jeweils über zehn Prozent in die Höhe. Es waren die größten Tagesgewinne binnen fast sieben Jahren. Die Versorger sind wegen der Energiewende mit der wachsenden Konkurrenz des Ökostroms und fallenden Strompreisen an den Börsen ohnedies unter Druck.

Deutschlands Wirtschaftsminister, Sigmar Gabriel: „Die Unternehmen sind in der Lage, die Kosten des Kernenergieausstiegs zu tragen.“ Die deutsche Regierung hatte den Stresstest bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Warth & Klein Grant Thornton in Auftrag gegeben. Der Bund will sicherstellen, dass kein Steuergeld für die Atom-Altlasten aufgebracht werden muss.

Sechs Szenarien berechnet

Die Konzerne kalkulieren dem Gutachten zufolge nach heutigen Preisen gerechnet mit Kosten für die Altlasten von 47,5 Mrd. Euro, die über viele Jahre anfallen. Die jetzt dafür zur Verfügung stehenden Rückstellungen machen 38 Mrd. Euro aus und seien dafür angemessen, urteilten die Gutachter. Etwa 20 Mrd. fallen für den Abriss an, gut acht Mrd. Euro für die Endlagerung. Zwischenlagerung oder Transport machen den Rest aus.

Die Gutachter haben insgesamt sechs Szenarien berechnet, um zu prüfen, ob die Konzerne die Aufgabe ohne Staatshilfe schaffen. Dabei waren zwei Faktoren entscheidend: zum einen die angenommene Verzinsung der Rückstellungen, zum anderen die Kosten der Entsorgung. So führte die Extremrechnung von dauerhaft niedriger Verzinsung von zwei Prozent in Kombination mit Preissteigerungen von über drei Prozent zu einem nötigen Rückstellungsbetrag von 77 Mrd. Euro, also 39 Mrd. mehr als vorhanden. Das Gutachten geht aber davon aus, dass die Konzerne mit ihrem Vermögen von 83 Mrd. Euro genügend Substanz haben, diese Lücke zu schließen. Im entgegengesetzten Szenario mit Kostensenkungen würden sogar 25 Mrd. Euro an Vorsorge reichen.

Die von der Energiewende gebeutelten Konzerne RWE und E.On hätten nun „eine Sorge weniger“, sagten Analysten der Société Générale. „Wir haben nun eine positivere Sicht auf E.On“, schrieben auch die Equinet-Experten – und stuften die Aktien des Düsseldorfer Unternehmens hinauf. Analysten der Deutschen Bank hoben ihre Preisziele für die beiden Versorger an. Die Société Générale betonte jedoch auch, die Untersuchungen im Rahmen des Stresstests seien kein Freibrief für die Versorger, einige Szenarien zeigten auch Probleme auf. Entscheidend seien aber nun die positiven politischen Schlussfolgerungen.

„Mit diesen Feststellungen haben Spekulationen über einen etwaigen Bedarf für höhere Rückstellungen in den Bilanzen keine sachliche Grundlage“, betonten die vier Energiekonzerne. An der Bilanzierungspraxis der deutschen Versorger ändere sich nichts. Auch der internationale Vergleich zeige, dass die Vorsorge für Kernenergieverpflichtungen „auf hohem Niveau liegt“. An der Bilanzierungspraxis der deutschen Versorger ändere sich nichts. (Reuters/eid)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.10.2015)

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