Männer-Zertifikate statt Frauenquote

Gesetzliche Frauenquote
Gesetzliche FrauenquoteAPA/dpa/UNBEKANNT
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Die Politik setzt Frauenquoten in Chefetagen durch. Viele Branchen und Firmen tun sich damit schwer. Ökonomen empfehlen stattdessen einen Zertifikatehandel nach dem CO2-Vorbild.

Wien. Ob für den Aufsichtsrat oder den Vorstand: Die Frauenquote ist auf dem Vormarsch. Norwegen machte den Anfang, Spanien folgte, in Deutschland und Frankreich ist es bald so weit. Brüssel will bis 2020 in allen EU-Ländern eine fixe, verpflichtende Frauenquote von 40 Prozent in Aufsichtsräten umsetzen. Es gibt also einen gesellschaftlichen Willen, auf diese Weise gegen Diskriminierung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt anzukämpfen.

Was aber bedeutet das für die Firmen? Für manche ist es gar kein Problem. Im Aufsichtsrat des deutschen Konsumgüterkonzerns Henkel etwa sitzen schon jetzt zu 44 Prozent Frauen. In anderen Firmen und Branchen, etwa im Maschinenbau, fehlt es an geeigneten Kandidatinnen. Pech gehabt, mögen manche meinen, sie haben eben Frauen zu lange nicht hochkommen lassen. Aber wenn wichtige Posten gar nicht oder nur mit Abstrichen bei der Qualität besetzt werden können, zahlt nicht nur das Unternehmen die Zeche. Auch die Wohlfahrt aller leidet darunter.

Um diesem Dilemma zu entkommen, machen drei Ökonomen nun einen pragmatischen Vorschlag: Statt eine einheitliche Quote für alle Länder, Sektoren und Unternehmen mit hohen Kosten durchzusetzen, soll die Politik einfach gratis Zertifikate an die Firmen verteilen, die diese dann zu Marktpreisen untereinander handeln können. Damit orientieren sich Stefan Pichler (ETH Zürich), Michael Neugart und Metin Akyol (Uni Darmstadt) an den Verschmutzungsrechten im CO2-Emissionshandel. Zwar geht es dort, anders als bei der Frauenquote, um einen Preis für „externe Kosten“. Aber ganz ähnlich sind die Probleme eines fixen Limits, das manche über- und manche unterfordert.

Mehr Wohlfahrt, mehr Frauen

Um in der Analogie zu bleiben: Wenn eine Firma glaubt, ihre Chefetage mit vielen Männern „verschmutzen“ zu müssen, kauft sie sich ein Zertifikat an einer Art Börse. Das macht sie so lange, wie der Preis niedriger ist als der erwartete Produktivitätsvorteil eines zusätzlichen Mannes. In Modell und Simulation lässt sich zeigen, dass damit die Wohlfahrt der ganzen Gesellschaft – gemessen an der Lohnsumme und den Unternehmensgewinnen – höher ausfällt als bei einer Einheitsquote, die nur mit Strafen durchzusetzen wäre.

Das Ziel bleibt davon unberührt. Denn die Behörde gibt eine bestimmte Anzahl von Zertifikaten aus, die zum gewünschten Anteil in der Gesamtwirtschaft führt. Genau genommen geht es um „Männerrechte“: Jedes Zertifikat entspricht einem Mann in der Führungsriege.

Im einfachsten Fall erfolgt die Verteilung proportional. Also: Die Quote ist 40 Prozent, eine Firma hat zehn Aufsichtsräte – dann erhält sie sechs Zertifikate für sechs Männer. Die Behörde könnte aber auch männerlastige Branchen bei der Zahl der Zertifikate bevorzugen. Für den Effekt ist es unerheblich, wie die ursprüngliche Verteilung erfolgt – das hat sich schon beim Emissionshandel gezeigt.

Ein möglicher Einwand: Wo Frauen diskriminiert sind, bleiben sie es auch weiterhin. Das blenden die Forscher in ihrer rein ökonomischen Betrachtung aus. Aber sie verweisen auf Ergebnisse anderer Studien: Gerade in männerlastigen Betrieben fühlen sich die wenigen Frauen in Führungspositionen oft stigmatisiert. Kollegen sehen sie als „Quotenfrauen“, die nur wegen gesetzlicher Vorgaben Karriere machen. Beim marktwirtschaftlichen Zertifikatesystem ist dieser Effekt weniger wahrscheinlich: Dass die Frau aufsteigt, zeigt an, dass sie es der Firma wirklich „wert ist“.

Zudem dürften so in Summe mehr Frauen die „gläserne Decke“ durchbrechen. Denn jene Firmen, die schon relativ viele weibliche Führungskräfte haben, finden zusätzliche Anreize, noch mehr Frauen zu befördern – weil sie am Verkauf von Zertifikaten verdienen.

Noch einen Vorteil führen die Autoren ins Treffen: Wenn eine Regierung eine eingeführte Quote später gesetzlich erhöhen oder auch senken will, geht der Kampf von vorne los. Wenn sie stattdessen nur selbst Zertifikate ankauft oder neu ausgibt, hat sie denselben Effekt – und erspart sich vermutlich „intensive politische Debatten“.

>>> zur Studie (bezahlpflichtig)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.10.2015)

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