Geldpolitik: Die fragwürdigen Termine der EZB

European Central Bank Executive Board Member Benoit Coeure
European Central Bank Executive Board Member Benoit Coeure(c) Bloomberg (Jason Alden)
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Direktoren der EZB haben sich im Vorfeld heikler Entscheidungen mit Bankern und Managern getroffen. Solche Treffen sind üblich, die EZB will in Zukunft aber transparenter werden.

Wien/Frankfurt. Das Naheverhältnis zwischen den Direktoren der Europäischen Zentralbank (EZB) und gewissen Marktteilnehmern (Banken, Hedgefonds, Asset Manager) wird immer problematischer. Wie die „Financial Times“ am Dienstag berichtete, hatten die Mitglieder des Direktoriums in den vergangenen zwei Jahren mehrfach Termine mit Bankern und Fondsmanagern – manchmal sogar im direkten Vorfeld einer EZB-Sitzung.

Die „Financial Times“ beruft sich in ihrem Bericht auf den offiziellen Terminkalender des EZB-Direktoriums, den sie im Zuge einer Informationsfreiheit-Anfrage nach EU-Recht erhalten habe. Den Aufzeichnungen der EZB zufolge stehen die Mitglieder des Direktoriums in einem engeren Verhältnis zu Regierungen, Privatsektor und den Medien als bisher angenommen.

Der Bericht folgt auf einen peinlichen Vorfall, der sich im Frühling dieses Jahres zugetragen hat. EZB-Direktor Benoît Cœuré hatte im Mai während eines Vortrags vor Bankern und Hedgefonds-Managern verraten, dass die EZB einen Teil ihrer Käufe von Staatsanleihen vorziehen wird, weil das Marktvolumen im Sommer zu dünn sein könne. Die Finanzexperten reagierten umgehend, was zu einer Schwächung des Euro führte. Das Problem: Die Öffentlichkeit erfuhr erst am nächsten Morgen von den geänderten EZB-Plänen, obwohl der Redetext von Benoît Cœuré sofort hätte online gestellt werden müssen.

Neue Regeln für Notenbanker

Dieser Zeit- und Informationsvorsprung hat es den Bankern und Hedgefonds-Managern ermöglicht, vom Schritt der EZB zu profitieren – während andere Marktteilnehmer ausgeschlossen waren. Nachdem der Vorfall publik wurde, zeigte sich die EZB reuig und bedauerte, den Redetext nicht sofort veröffentlicht zu haben. Einige Monate später hat sich die Zentralbank verschärfte Regeln im Umgang mit Marktteilnehmern und Medien gegeben. So soll in Zukunft ein „Aufpasser“ die Direktoren der EZB bei Terminen begleiten. Angaben zur Zinspolitik im unmittelbaren Vorfeld einer Zinsentscheidung waren ihnen allerdings immer schon verboten. Das gilt auch für die Chefs der nationalen Euro-Notenbanken – etwa OeNB-Gouverneur Ewald Nowotny.

Die von der „FT“ nun veröffentlichten Terminkalender zeigen erst, wie notwendig diese neuen Regeln eigentlich sind. Die EZB-Direktoren stehen offenbar vor allem zu Banken in sehr engem Kontakt. So gab es im September 2014 ein Meeting zwischen den EZB-Notenbankern Benoît Cœuré und Yves Mersch sowie Vertretern der Schweizer Großbank UBS.

EZB verstärkt Transparenz

Das Treffen fand nur einen Tag vor der überraschenden Zinssenkung am 4. September 2014 statt. Cœuré traf sogar am Morgen ebendieses Tages Vertreter der französischen Bank BNP Paribas. Im März dieses Jahres war Cœuré wieder aktiv, als er am Tag vor der Zinssitzung mit Managern von Black Rock zusammentraf. Auch im Zuge der Griechenland-Krise kam es zu einigen derartigen Meetings mit wichtigen Finanz-Playern.

Die EZB macht aus diesen Zusammentreffen allerdings kein Geheimnis. Die von der „FT“ recherchierten Kalender sollen in Zukunft generell öffentlich zugänglich sein – allerdings mit einer Verspätung von drei Monaten. Auch die sofortige Veröffentlichung von Redetexten soll in Zukunft besser bewerkstelligt werden.

Die Mitglieder des EZB-Direktoriums müssten in Kontakt zu den Marktteilnehmern stehen – auch um den Finanzmarkt und die Wirkungen der Geldpolitik besser zu verstehen, hieß es dazu aus der EZB. (jil)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.11.2015)

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