Abgasskandal: VW-Manager trauen sich nicht mehr in die USA

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Volkswagen(c) APA/dpa/Julian Stratenschulte
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Techniker schieben die Schuld auf den abgetretenen VW-Chef Winterkorn, Deutschlands Verkehrsminister will strengere Kontrollen.

Wolfsburg/Berlin. Im Dieselgate-Skandal beginnen sich nun die Nebel zu lichten: Nach deutschen Zeitungsberichten liegen mehrere Geständnisse von VW-Technikern vor. Ins Rollen gebracht habe die VW-interne Geständniswelle ein Mitarbeiter der Entwicklungsabteilung, der seinen Vorgesetzten über großangelegte Betrügereien bei den Abgastests informiert hatte.

Die VW-Techniker sehen die Schuld dabei beim unterdessen abgetretenen Konzernchef Martin Winterkorn: Dieser habe Emissionsziele vorgegeben, die mit legalen Mitteln nicht erreichbar gewesen seien. Winterkorn hatte vor drei Jahren beim Genfer Autosalon angekündigt, VW werde den CO2-Ausstoß seiner Autos innerhalb von drei Jahren um 30 Prozent verringern. Nicht lange danach begannen die Manipulationen bei den Abgastests. Laut dem Geständnis hätten es die VW-Techniker nicht gewagt, dem despotischen Konzernchef die Unmöglichkeit der Zielerreichung nahezubringen.

Allerdings dürften nicht nur die Vorgaben Winterkorns zu ambitioniert gewesen sein. Auch die ständig verschärften EU-Grenzwerte dürften die Autoindustrie ins Schwitzen gebracht haben. Immerhin ist seit mehreren Jahrzehnten bekannt, dass die Testbedingungen, unter denen die Abgaswerte gemessen werden, mit der Realität nicht viel zu tun haben.

Beliebtes Schummeln

Geschummelt war deshalb auch schon früher worden. Vor 15 Jahren war etwa ein anderer Hersteller in die Schusslinie geraten, als bekannt geworden war, dass dessen Autos die Grenzwerte zwar bis zu der im Testzyklus vorgesehenen Geschwindigkeit von 120 Stundenkilometern einhielten – danach aber aus Leistungsgründen die so genannte Lambdasonde, die den Katalysator regelt, abschalteten. Was zu einem drastischen Anstieg der Schadstoffwerte führte.

Dass die Vorgaben ein wenig an der Realität vorbeigehen, sieht man auch an einer neuen Regelung: Ein Expertengremium der EU hat beschlossen, Tests (wie in den USA) künftig auch unter realen Bedingungen auf der Straße durchzuführen. Allerdings: Die geltenden Grenzwerte dürfen dabei bis 2021 um mehr als das Doppelte überschritten werden.

Erstmals aufgeflogen waren die Abgasmanipulationen bei VW übrigens im Rahmen eines derartigen Straßentests in den USA. Und dort wird der Boden für VW-Manager langsam sehr heiß: Seit einem VW-Manager in den USA der Pass abgenommen wurde, um ihn für eine eventuelle Strafverfolgung zur Verfügung zu haben, sollen Amerika-Reisen bei VW-Managern nicht mehr allzu beliebt sein, berichtet die „Süddeutsche Zeitung“. Dabei steht demnächst ein US-Trip des Konzernchefs an: Der neue VW-Lenker, Matthias Müller, sollte noch im November seine US-Tochter besuchen. Die Reise ist jetzt ziemlich unwahrscheinlich geworden. Müller will erst „Rechtssicherheit“, bevor er tatsächlich amerikanischen Boden betritt. Der neue Chef suche zwar intensiv das Gespräch mit US-Ermittlern in der VW-Affäre und mit amerikanischen Politikern, auf US-Boden sei das derzeit aber „zu heikel“.

VW übernimmt „Strafsteuer“

Kunden von VW könnten unterdessen mit Steuernachzahlungen konfrontiert werden. In Österreich wird beispielsweise die beim Kauf fällige Normverbrauchsabgabe an Hand der Abgaswerte bemessen. VW hat gestern angekündigt, dass der Konzern solche „Strafsteuern“ übernehmen werde. Ein entsprechender Brief sei an alle 28 EU-Finanzminister gegangen. Das österreichische Finanzministerium bestätigte das Schreiben. (red./ag)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.11.2015)

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