Erdgas: Gazproms Troika in Wien

Der Chef des russischen Gaskonzerns Gazprom, Alexej Miller.
Der Chef des russischen Gaskonzerns Gazprom, Alexej Miller.(c) EPA (SERGEI CHIRIKOV)
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Der künftige Partner der OMV gilt als intransparent. An seiner Spitze stehen starke Persönlichkeiten. Auffällig ist, wie sehr sie mit Wien verwoben sind und hier lobbyieren.

Wien. Ob Kremlchef Wladimir Putin höchstselbst ihn geschickt hat, wie er das bei früheren Gelegenheiten schon getan hatte, um Politiker in Europa in heiklen Fragen auf seine Seite zu ziehen? Gut möglich. Jedenfalls flog der Chef des russischen Gaskonzerns Gazprom, Alexej Miller, in Begleitung seines Vize, Alexandr Medwedjew, am letzten Oktoberwochenende nach Wien, um sich nach Informationen der „Presse“ mit Finanzminister Hans Jörg Schelling zu treffen. Zeitlich gut koordiniert: Wenige Tage später, am 9. November nämlich, traf dann Deutschlands Ex-Kanzler Gerhard Schröder, seines Zeichens Aufsichtsratschef der Ostseepipeline Nord-Stream in Wien ein, um zuerst die Mitarbeiter der OMV und dann in der Wiener Hofburg gemeinsam von der Wichtigkeit der russischen Partnerschaft zu überzeugen. Auch Bundespräsident Heinz Fischer traf er bei dieser Gelegenheit. Überall mit dabei ist auch der neue OMV-Chef Rainer Seele, der die Auftritte und Treffen organisiert hat. Auch das mit Schelling.

Für Schelling, über die ÖBIB Eigentümervertreter des Staates in der OMV, war es wohl nur ein erstes Kennenlernen. Was er mit Miller besprochen hat, wollte er der „Presse“ nicht sagen. Schelling habe sich aber – so ist aus dem Umfeld des Ministeriums zu erfahren – gegenüber dem geplanten Tausch von Vermögenswerten zwischen der OMV und Gazprom grundsätzlich genauso aufgeschlossen gezeigt wie gegenüber dem Ausbau der Nord-Stream unter Beteiligung der OMV. Miller aber sei enttäuscht gewesen, berichten Quellen, die der Gazprom-Führung nahestehen. Es könnte am Zusammenprall der Kulturen liegen: In Russland nämlich, wo Politik und Wirtschaft deutlich verfilzter sind als hierzulande, besucht man einen Minister nicht bloß, um einander kennenzulernen, sondern um Entscheidungen zu treffen oder abzuholen.

Lobbying läuft auf Hochtouren

Gaszprom geht alles zu langsam. Sie wollen bei den geplanten Großprojekten mit der OMV möglichst schnell Nägel mit Köpfen machen. Und sie wollen Pflöcke bei der neuen Nord-Stream 2 einrammen, damit die EU keinen Widerstand mehr entgegensetzen kann. Da passt ins Bild, was Deutschlands Vizekanzler Sigmar Gabriel am 28. Oktober, zwei Tage vor Millers Wien-Besuch, bei seinem Treffen mit Putin und Miller im Kreml über die Pipeline sagte: „Das Wichtigste ist, dass die Regulierungskompetenz in den Händen der deutschen Organe liegt. Dann begrenzen wir die Möglichkeit für politische Einmischung in dieses Projekt.“ Eine klare Botschaft an die Russland-Skeptiker in Brüssel.

Das Lobbying läuft also auf Hochtouren. Und mit der unter Seele gestarteten, strategischen Neuausrichtung der OMV Richtung Gazprom kommt Wien dabei eine immer größere Bedeutung zu. Dass Miller bei der hiesigen Regierung selbst in die Spur geht, ist nicht ganz neu – auch mit Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner war er schon wiederholt ins Gespräch gekommen.

Und doch ist es nicht Miller, der das Netzwerk für Gazprom in Wien aufgebaut hat und pflegt. Das machen zwei andere Größen aus dem Gazprom-Imperium, die Wien schon seit Jahrzehnten zur Wahlheimat erkoren haben und deren Familien permanent hier wohnen: Alexandr Medwedjew und Andrej Akimow. Ersterer war bis vor Kurzem für das Exportgeschäft des Konzerns, also die Cashcow, zuständig und managt die Auslandsaktivitäten nun als Vizechef hinter Miller. Letzterer, Akimow, wiederum leitet die Gazprom-Bank, die drittgrößte Bank Russlands.

Beiden wird in der künftigen Kooperation mit der OMV eine Schlüsselrolle zukommen. Medwedjew umso mehr, als er mit Seele zu dessen Zeit beim deutschen Konzern Wintershall über ein Jahrzehnt lang in einem Vertriebs-Joint-Venture zusammengearbeitet hat und befreundet ist. Medwedjews Nähe zu Österreich begann indes schon zu Sowjetzeiten Ende der 1990er-Jahre. Damals wurde er von Akimow – beide erst Mitte 30 – in die sowjetische Auslandsbank Donau-Bank in Wien geholt, ehe er mit Akimow abermals in Wien die auf Handelsfinanzierung spezialisierte Firma IMAG (Investment & Advisory Group) führte. Der 60-jährige Medwedjew, der fließend Englisch und Deutsch mit österreichischer Färbung spricht, fungiert seit Jahren als Gazproms Sprachrohr in der Welt. 2009 wurde er vom „Time“-Magazin als einziger Russe in die einflussreichsten 100 Personen der Welt aufgenommen.

Wie eng und langlebig die Wien-Kontakte sind, zeigt unter anderem die Tatsache, dass Medwedjew zur Zeit des ersten Gaskrieges mit der Ukraine 2006 auch den umstrittenen russisch-ukrainischen Gaszwischenhändler RosUkrEnergo (RUE) mitkoordinierte. Den zweiten Teil von RUE hielt mehrere Monate lang die Raiffeisen Invest AG treuhänderisch für den im Vorjahr in Wien festgesetzten ukrainischen Oligarchen Dmitri Firtasch, was wegen dessen stets vermuteter Nähe zu einem russischen Mafiaboss später auch den Banken-Untersuchungsausschuss im österreichischen Parlament beschäftigte.

Im Unterschied zu Medwedjew ist Akimow ein großer Schweiger. Er ist der Unscheinbare mit dem strengen Gesicht – aber auch mit dem Weitblick. Von Österreich aus hat er Ende der 1990er-Jahre Briefe an Gorbatschow geschrieben, was zur Umgestaltung der UdSSR zu tun sei. In Wien hat er später auch seine ersten Millionen mit dem Handel von Schulden – etwa der DDR – verdient. Alsbald wurde er von hier aus mit seiner IMAG auch zum Finanzberater der Petersburger Stadtverwaltung, in der Putin und andere heutige Milliardäre tätig waren. 3,5 Mrd. Dollar Investitionen in russische Firmen hat Akimows IMAG laut Forbes in zehn Jahren an Land gezogen, ehe er und Medwedjew 2002 an die Gazprom-Spitze berufen und nach Moskau zurückgebeten wurden.

Nun wird ihre Mission in Wien wieder aufgewertet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.11.2015)

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