Mittelosteuropa: „Hemmschuh sind wir selber“

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Experten sehen die Region als treibende Kraft für die EU.

Wien (hie). „Wir haben bereits alles – ihnen fehlt noch fast alles.“ In den Augen Erhard Buseks bietet die Region Zentral- und Osteuropa daher noch reichlich Wachstumspotenzial für Österreich und die restlichen Staaten der Europäischen Union – trotz Krise. Im Vorfeld der Alpbacher Wirtschaftsgespräche im kommenden September widmete sich deren Präsident gemeinsam mit einer Expertenrunde in einer Kooperation der Industriellenvereinigung mit der „Presse“ der Frage, ob Mittelosteuropa Motor oder Hemmschuh der Europäischen Union ist.

Für Busek ist die Antwort klar: „Die Region ist kein Hemmschuh, der sind wir selber.“ Er hat vor allem ein Problem mit einem „wieder aufkeimenden Egoismus“ innerhalb der EU: „Die Mitgliedstaaten haben immer geschaut, dass sie Herren des Geschehens bleiben. Das sind sie auch – und daher geschieht nichts“, beklagt der ehemalige ÖVP-Vizekanzler, und fügt hinzu: „Ich verstehe nicht, warum das die kleinen Länder nicht begreifen.“

Auch Herbert Stepic, Vorstandsvorsitzender bei Raiffeisen International, hält die Region eher für eine treibende Kraft denn für ein Hemmnis. Daher sieht er auch keine Alternative zur Erweiterung der EU um die Balkanstaaten: „Wenn wir Frieden wollen, müssen wir dafür sorgen, dass es allen ökonomisch ähnlich geht.“ Die Oststaaten hätten sich in einem Aufholprozess befunden, dieser sei aber noch lange nicht abgeschlossen. „Gerade einmal zu einem Drittel“, schätzt Stepic. „Und mitten in einem solchen Transformationsprozess tut eine Krise besonders weh.“

Beim Aufholen gestört

Michael Landesmann vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche sieht das ähnlich. „Die Krise hat die Länder im Osten in einer schwierigen Phase erwischt. Sie waren gerade dabei, aufzuschließen.“ Vor allem bei den Exporten sei ein Aufschwung zu beobachten gewesen, jetzt gingen diese, ebenso wie die Nachfrage und die Investitionen, zurück.

Schwierig sei vor allem, dass der Zufluss liquider Mittel „von einem Tag auf den anderen unterbrochen“ wurde, glaubt Herbert Stepic. Das müsse schleunigst geändert werden, denn „wenn der Liquiditätsfluss nicht funktioniert, wird sich der Abschwung beschleunigen.“

Man müsse die Krise in Zentral- und Osteuropa und ihre Bedeutung für die EU differenziert betrachten, meint Busek, und zitiert das Beispiel Ungarn: „Das Land war schon lange vor der Wirtschaftskrise in der Malaise. Die können ja froh sein, dass ihre Schwierigkeiten jetzt unter der Überschrift Finanzkrise laufen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.06.2009)

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