Die mysteriöse Herabstufung des Polen-Ratings

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Die US-Ratingagentur Standard & Poor's hat Polen am Freitag völlig überraschend herabgestuft – zum ersten Mal überhaupt.

Wien/Warschau. Die vergangene Woche ging für den polnischen Złoty nicht sonderlich gut zu Ende. Er stürzte am Freitag ab, nachdem die US-Ratingagentur Standard & Poor's das Kreditrating Polens völlig überraschend von „A–“ auf „BBB+“ heruntergestutzt hatte. Es war überhaupt das allererste Downgrade für Polen. Der Złoty fiel direkt danach auf ein Vierjahrestief von 4,48 Złoty pro Euro. Am Montag gab es dann wieder eine kleine Erholung auf 4,45.

Aber der Schaden ist angerichtet. Auf einen Schlag wird aus dem Hoffnungsträger Polen ein Problemfall. „Polen war bisher ein Lichtblick unter den aufstrebenden Märkten“, sagte William Jackson von Capital Economics in London der Nachrichtenagentur Bloomberg. „Aber das lässt dunkle Wolken aufziehen. Polnische Assets werden in diesem Jahr wohl schlecht abschneiden.“

Sogar Donald Tusk übt Kritik

Allerdings: Weder in Warschau noch unter den Analysten ist vollkommen klar, warum Polen ausgerechnet jetzt mit einem Downgrade gestraft wurde. Die polnische Regierung hat Vertreter der Ratingagentur jetzt zu Gesprächen eingeladen. Und auch der frühere polnische Ministerpräsident und jetzige EU-Ratspräsident, Donald Tusk, kritisierte die Entscheidung am Montag. Das zeige bloß, dass „manche den Narrativ über den negativen Zustand der polnischen Wirtschaft glauben“, so Tusk. „Wir glauben das aber nicht.“

Tatsächlich mangelt es S&P an handfesten ökonomischen Gründen für die Herabstufung. Die wesentlichen Wirtschaftsdaten sehen weiter positiv aus. „Nach einer Wachstumsbeschleunigung im Jahr 2015 erwarten wir ein reales BIP-Wachstum von durchschnittlich 3,3 Prozent in den Jahren 2016 bis 2018. Stärkere Inlandsnachfrage als Ergebnis von Einkommenszuwächsen aus neuen Maßnahmen der Regierung und eine fortgesetzte Erholung der Eurozone, des wichtigsten Handelspartners Polens, weisen auf ein robustes wirtschaftliches Wachstum hin“, schreiben die S&P-Experten in ihrer Begründung für die Herabstufung.

Umstrittene Reformen

Und weiter: „Verstärktes Lohnwachstum und niedrige Inflation werden die Realeinkommen weiter stärken.“ Auch die Staatsverschuldung wird von S&P nicht als Problem gesehen. „Wir erwarten, dass die Staatsverschuldung bis 2018 stabil bei 51 Prozent des BIPs bleibt.“

Allerdings sei ein erhöhtes Budgetdefizit als Folge zusätzlicher Förderungsprogramme der Regierung zu erwarten, die bei den Wahlen versprochen wurden. Außerdem erwartet S&P Steuererhöhungen in gewissen Sektoren. Der Kern der Downgrade-Begründung bezieht sich aber auf politische Befürchtungen, die auch in Brüssel gehegt werden: dass die neue Regierung das Land und seine Institutionen umgestalten will.

Diese Reformen könnten aus Sicht von S&P wichtige Institutionen des Landes schwächen. Die Neuerungen stoßen auch unter den EU-Partnern auf Protest. Die EU-Kommission leitete in dieser Woche ein Verfahren ein, um die Rechtsstaatlichkeit in Polen zu überprüfen. Nach den umstrittenen Reformen des Verfassungsgerichts und des öffentlich-rechtlichen Rundfunks könnte als Nächstes die Notenbank ins Visier der Regierung geraten, warnte am Montag der Analyst Felix Winnekens von S&P. „Dies wollten wir mit dem negativen Ausblick verdeutlichen.“

So habe die mit absoluter Mehrheit regierende nationalkonservative Partei PiS zuletzt drei turnusmäßig frei werdende Posten in der Zentralbank neu besetzt. Allerdings ist auch dies nach Einschätzung des S&P-Analysten noch immer Teil des normalen demokratischen Prozesses. Die Ratingagentur hege allerdings die Sorge, dass dann auch am Mandat der Notenbank etwas geändert werden könnte. In diesem Fall drohe Polen sogar eine weitere Herabstufung.

Wertet der Złoty wieder auf?

Das überraschende Downgrade vom Freitag blieb auch für die Börsen nicht ohne Folgen. Mit dem Złoty fiel auch die Warschauer Börse, und zwar auf ein Dreijahrestief von 43.024,70 Punkten. Aber zumindest für die Währung gibt es schon wieder einen Hoffnungsschimmer. So erwarten die von Reuters befragten Analysten heuer generell eine Aufwertung der Währung auf 4,175 Złoty pro Euro bis zum Ende des Jahres.

Diese Umfrage wurde allerdings drei Tage vor der überraschenden Herabstufung Polens durch S&P durchgeführt. (jil)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.01.2016)

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