Mario Draghi redet den Euro weich

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Der Ölpreis drückt auf die Inflation und EZB-Chef Mario Draghi deutet weitere geldpolitische Lockerungen an. Den Märkten gefällt das, auch wenn es dem Italiener um sie gar nicht geht.

Wien/Frankfurt. Der Donnerstag war einer der besseren Tage an den Börsen in diesem bisher turbulenten Jahr – aber warum auch nicht? Zwar beließ die EZB den Leitzins bei ihrer ersten Sitzung in 2016 unverändert bei 0,05 Prozent, aber Notenbank-Chef Mario Draghi öffnete in seiner Rede die Tür zu weiteren geldpolitischen Lockerungen im März.

Grund genug für den Euro gegenüber dem Dollar rasant zu fallen – um mehr als 0,5 Prozent. Die andere Seite der Medaille: Die europäischen Börsen setzen am Donnerstag zu einem kleinen Höhenflug an – der deutsche Index DAX stieg um mehr als zwei Prozent.

„Wir werden bei unserer nächsten Sitzung im März unsere Geldpolitik überprüfen und gegebenenfalls anpassen“, lauteten die 14 entscheidenden Worte des Italieners. Jetzt dürfen die Märkte sich erneut knapp zwei Monate lang wilden Spekulationen hingeben und die Frage erörtern, wie groß das Geldgeschenk der EZB werden wird.

Eine Sache werden sie dabei allerdings geflissentlich ignorieren: Die EZB druckt zwar Geld – aber nicht für die Märkte. Es geht Draghi und seinen Kollegen nur um eines: Die Inflationsrate – beziehungsweise die „Inflationserwartungen“ der Bevölkerung. Draghi betont das bei jeder Gelegenheit – auch am Donnerstag.

„Werden nicht kapitulieren“

Aus der Sicht der EZB ist „Preisstabilität“ dann erreicht, wenn die Teuerungsrate der Eurozone mittelfristig bei „knapp unter zwei Prozent“ liegt. Das seit März vergangenen Jahres laufende Programm zum Aufkauf von Staatsanleihen und anderen Wertpapieren durch die Notenbanken des Eurosystems soll die derzeit sehr niedrige Inflation anschieben – und die Erwartungen ebenfalls.

Dass die Märkte davon profitieren, ist ein Nebenprodukt. Ebenso die Tatsache, dass Staatsanleihen-Käufe die Zinsen für die Euro-Länder künstlich drücken und so den Reformdruck ein wenig lindern. Beides hat Draghi allerdings im Auge, wie er bei der Pressekonferenz am Donnerstag sagte.

Dass die „strukturellen Reformen“ in Europa nur langsam voran kämen, kritisierte der EZB-Chef allerdings ebenso erneut. Denn auch das behindere eine Beschleunigung der wirtschaftlichen Erholung – und das Anziehen der Inflation: „Eine rasche und effiziente Durchführung von Reformen sollte zu stärkerem Lohnwachstum und der Erwartung höherer Einkommen führen“, so Draghi.

Dass die EZB ihr Programm im März tatsächlich ausweiten könnte, liegt an dem weiterhin sehr schwachen Inflationsdruck. „Die wirtschaftliche Erholung bleibt gedämpft. Die Inflationsraten sollten sich zwar erholen. Aber wir müssen das genau beobachten“, so Draghi.

"Tun was notwendig ist"

Auf die Frage, ob die Zentralbank angesichts der weiterhin fallenden Ölpreise überhaupt noch entscheidenden Einfluss auf die Inflationsrate nehmen könne, antwortete der Italiener fast wie ein General im Krieg: „Wir werden tun was auch immer notwendig ist, um unser Mandat zu erfüllen. Es ist offensichtlich, dass wir unsere Instrumente an die veränderten Bedingungen anpassen müssen. Hier sind einige globale Faktoren im Spiel. Wir werden angesichts dieser Faktoren aber nicht kapitulieren.“

Aus der Sicht der EZB seien fallende Ölpreise ein „langfristiger Trend“, weshalb eine Reaktion notwendig gewesen sei. Kurzfristige Schwankungen des Preises würde man eher ignorieren. „Jetzt müssen wir aber auch beobachten, ob die niedrigen Ölpreise Folgen haben, etwa durch Auswirkungen auf andere Preise“, sagte Draghi.
Alleine seit dem EZB-Meeting im Dezember 2015 ist der Ölpreis um ganze 40 Prozent gefallen. Die EZB hat ihre eigenen Aussichten für den Ölpreis bereits einmal nach unten korrigiert – und wird dies wohl erneut tun müssen.

Aber selbst ohne den Einfluss der Ölpreise liegt die Inflation in der Eurozone bei nur 0,9 Prozent. Die EZB hat also noch einen weiten Weg vor sich, bis „Preisstabilität“ wieder erreicht ist. „Wir geben nicht auf“, so Draghi.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.01.2016)

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