Türkei: Überraschend starkes BIP-Wachstum durch Flüchtlinge

Serfo, a 23-year old Syrian Kurdish refugee from Aleppo, works in a barber shop in Istanbul
Serfo, a 23-year old Syrian Kurdish refugee from Aleppo, works in a barber shop in IstanbulREUTERS
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2,6 Millionen Flüchtlinge kurbelten das Wirtschaftswachstum an. Allerdings haben sich auch Probleme auf dem Arbeitsmarkt verschärft.

Die 2,6 Millionen syrischen Flüchtlinge in der Türkei sind eine Belastung für den Wohnungs- und Arbeitsmarkt des Landes. Sie bringen dem Land aber auch einen spürbaren Wachstumsschub. In der Regierung und bei Volkswirten herrscht weitgehende Einigkeit darüber, dass die Flüchtlinge einen positiven Effekt auf die Konjunktur haben und zum überraschend starken Wachstum von vier Prozent im dritten Quartal beitrugen. "Wir haben Fakten und Indizien, dass sowohl die Ausgaben der 2,6 Millionen syrischen Flüchtlinge als auch die der Regierung zu den treibenden Kräften gehören, die die positive Überraschung beim Wirtschaftswachstum 2015 verursacht haben", lautet die Einschätzung von Muammer Komurcuoglu, Volkswirt bei der türkischen Investmentgesellschaft Is Investment.

Der stellvertretende Ministerpräsident Mehmet Simsek bezeichnete die vier Prozent Wachstum im dritten Quartal als "positive Überraschung". Kurz danach hob die Regierung ihre Wachstumsprognose für das laufende Jahr an, auf 4,5 Prozent von zuvor vier Prozent.

Keine Arbeitserlaubnis, aber Geld

Die Flüchtlinge kurbeln vor allem den Konsum an. Sie kaufen Kühlschränke, Kocher, Öl, Brot, Mehl und Baumaterialien. Zwar haben die meisten noch keine Arbeitserlaubnis. Doch sie arbeiten illegal – und das Geld, das sie ausgeben, fördert wiederum die Wirtschaft. Hinzu kommen die staatlichen Investitionen. Die Regierung erklärte, sie habe bisher fast zehn Milliarden Dollar in der Flüchtlingskrise ausgegeben, vor allem für Flüchtlingslager.

Die Berechnung des konkreten Beitrags der Flüchtlinge für das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist allerdings schwierig, weil viele von ihnen sich selbst versorgen und zumindest ein Teil über die mit Bargeld funktionierende Schattenwirtschaft läuft. Je nach Berechnungsgrundlage dürfte der Beitrag der Flüchtlinge zum BIP zwischen 0,5 und 1,7 Prozent liegen.

Inflationsrate bei rund zehn Prozent

Doch "nichts ist umsonst in der Wirtschaft", sagt Muammer Komurcuoglu, Volkswirt bei der türkischen Investmentgesellschaft Is Investment. "Die positive Überraschung beim Wachstum geht auf Kosten von Inflation und Arbeitslosigkeit." Die Preise sind besonders bei Lebensmitteln und Mieten gestiegen. Die Inflationsrate kletterte im Jänner auf 9,58 Prozent, in Grenzregionen sogar auf 10,67 Prozent. Erschwert wird der Kampf gegen die Inflation durch die anstehende Anhebung des Mindestlohnes um 30 Prozent.

Auf dem Arbeitsmarkt wird die große Zahl der Flüchtlinge vor allem in Niedriglohn-Bereich spürbar. Bis vor kurzem durften sie zwar offiziell nicht arbeiten. Nach Schätzungen waren jedoch rund 300.000 Flüchtlinge in der Schattenwirtschaft beschäftigt. "Der Zufluss informell beschäftigter syrischer Flüchtlinge hat im großen Umfang zu einer Verdrängung türkischer Arbeiter in dem informellen Sektor geführt", stellte die Weltbank fest. Auf der anderen Seite könnten die gesunkenen Produktionskosten zu einem Anstieg der Fertigung und damit zu mehr regulären Jobs führen.

(APA/Reuters)

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