Ölparadies Norwegen am Weg zur Normalität

Tour Of Statoil ASA's Oseberg Gas Drilling Platform
Tour Of Statoil ASA's Oseberg Gas Drilling PlatformBloomberg
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Neben der Branche selbst sind auch zahlreiche Zulieferbetriebe vom niedrigen Ölpreis betroffen. Die Arbeitslosenquote ist derzeit höher als zur Zeit der Finanzkrise.

Seit den 1970er-Jahren gilt Norwegen als das Paradeland in Europa, in dem das Öl jede Menge Geld in die Kassen des Staates fließen lässt. Die Rohstoff-Industrie macht hier ein Fünftel der Wirtschaftsleistung aus. Mehr als 200.000 Arbeitsplätze hängen an der Branche.

Doch seit dem Absturz der Ölpreise ist nichts mehr wie vorher. Während sich Autofahrer in anderen Ländern über billiges Benzin freuen, ist die Krise der Branche für Zehntausende norwegische Arbeiter existenzbedrohend. Wird ihnen die Öl-Abhängigkeit zum Verhängnis?

Investitionen in Öl dramatisch eingebrochen

Die Internationale Energieagentur (IEA) rechnet auch für das kommende Jahr mit einem Überangebot an Rohöl auf dem Weltmarkt - dies ist eine der Botschaften einer Fachkonferenz in der US-Ölmetropole Houston. Gleichzeitig sieht sie einen drastischen Anstieg der Preise bis 2021. "Selbst wenn sich der Ölpreis bis zu einem gewissen Grad erholt, wird er nicht mehr auf das hohe Niveau von vor zwei Jahren zurückkehren", glaubt aber der Wirtschaftsprofessor Steinar Holden von der Universität Oslo. Geplante Projekte seien längst auf den Prüfstand gekommen, die Investitionen in Öl und Gas dramatisch gesunken.

Der Ölmulti Statoil - zu 67 Prozent im Staatsbesitz - reagierte mit Kostenschnitten und Kündigungen. Über den Berg ist der Förderriese jedoch nicht. Inklusive Sonderbelastungen machte der Konzern 2015 ein Minus von 37,3 Mrd. Kronen. Bis Ende 2016 sollen weitere Mitarbeiter und Berater gehen.

Aber nicht nur die Ölindustrie ist betroffen - auch ihre Zulieferer kämpfen. Von den Bohrinseln über die Maschinenhersteller bis hin zu Hotels und Restaurants bekommen alle die Krise zu spüren - vor allem im Südwesten des Landes, um Stavanger, wo Statoil seinen Sitz hat.

Regierung senkt Steuern

Rund 30.000 Jobs sind nach Berechnungen des Finanzdienstleisters DNB Markets schon weggefallen, seit der Ölpreis den Sinkflug angetreten hat. Die Arbeitslosenquote in Norwegen ist seit Anfang 2015 von 3,8 auf 4,6 Prozent gestiegen. "Sie ist jetzt deutlich höher als während der globalen Finanzkrise", sagt Knut Anton Mork von der norwegischen Handelsbanken. "Das Wirtschaftswachstum ist zum Stehen gekommen."

Die Regierung in Oslo versucht gegenzuhalten - auch mit niedrigeren Steuern. Sowohl Einkommen- als auch Unternehmensteuern sollen sinken, um die Wirtschaft auf Kurs zu bringen. Dafür bedient sich Norwegen auch aus dem umgerechnet 800 Mrd. Euro schweren Pensionsfonds, der sich aus den Einnahmen aus der Öl- und Gasförderung speist. Auf Dauer muss aber eine andere Lösung her, mahnen Experten.

Lachsexport billiger

"Es gibt schon eine Umstellung, und die wird durch die Tatsache begünstigt, dass die norwegische Krone sehr an Wert verloren hat", meint Forscher Holden. Davon profitiert etwa die Lachs-Industrie. Für viele Branchen ist es plötzlich einfacher, Arbeiter und Ingenieure zu finden, weil die einst so attraktive Ölindustrie nicht mehr lockt.

Hoffnungen ruhen neben dem Fischexport vor allem auf dem Tourismus. "Aber auch hier sind die Effekte zu gering, um die Schwäche in der Industrie rund um das Öl auszugleichen", erklärt Mork. Auf den Lachsfarmen sei die Anzahl der möglichen neuen Jobs begrenzt.

Jammern auf hohem Niveau

Immer mehr Ökonomen fordern die Zentralbank auf, die Zinsen weiter zu senken. "Sie sind in Norwegen immer noch höher als im Rest Europas. Dazu gibt es angesichts der Wirtschaftslage keinen Grund."

Zu übertriebener Panikmache sehen die besonnenen Norweger trotz Krise aber keinen Grund. "Wir können nicht erwarten, in Zukunft weiter so hohe Einnahmen aus der Ölindustrie zu haben", räumt Holden ein. "Aber wir haben immer noch einen ziemlich großen Pensionsfonds." Mit dem Fonds im Rücken, der als größter seiner Art gilt und in Firmen auf der ganzen Welt investiert, müssen die Nordeuropäer wohl auch auf längere Sicht nicht um ihren Wohlstand fürchten.

(APA/dpa)

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