Studie: Mehr (Selbst-)Morde in Krisen

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Forscher haben einen Zusammenhang zwischen Wirtschaftskrise und Suizidrate festgestellt. Bei einem sprunghaften Ansteigen der Arbeitslosigkeit wuchs die Suizidrate gar überproportional.

London (hie/Bloomberg). Wirtschaftskrisen treiben die Selbstmord- und Mordraten in die Höhe und reduzieren die Zahl der Verkehrsunfälle. Das haben Wissenschaftler der Oxford University und der London School of Hygiene and Tropical Medicine herausgefunden.

Das Forscherteam, das den Zusammenhang zwischen wirtschaftlichen Veränderungen und Selbstmordraten in 26 der heutigen EU-Staaten seit 1970 untersucht hat, kommt in einem in der Fachzeitschrift „The Lancet“ publizierten Artikel zu folgendem Ergebnis: Stieg die Arbeitslosigkeit um ein Prozent, wuchs die Zahl der Suizide in der Gruppe der unter 65-Jährigen um 0,8 Prozent.

Auch die Mordlust gedeiht offenbar mit zunehmender Krise: Die Zahl der Morde kletterte pro einem Prozent Anstieg der Arbeitslosen ebenfalls um 0,8 Prozent nach oben.

Bei einem sprunghaften Ansteigen der Arbeitslosigkeit wuchs die Suizidrate gar überproportional: Nahm die Arbeitslosenrate um mehr als drei Prozent zu, so schoss die Zahl der Selbstmorde gleich um 4,5 Prozent in die Höhe. Die Zahl jener, die durch Alkoholmissbrauch ums Leben kamen, stieg in diesem Fall um 28 Prozent. Besonders stark betroffen waren schlecht ausgebildete Menschen.

Die Wissenschaftler verbinden ihre Ergebnisse mit direkten Handlungsempfehlungen an die Politik. Regierungen könnten nämlich wesentlich zur Schadensbegrenzung beitragen, indem sie Maßnahmen zur Arbeitsplatzsicherung und -schaffung forcieren und in das Sozialsystem investieren. So hätten bereits Sozialausgaben von 190 Dollar (137 Euro) pro Jahr und Kopf dazu geführt, dass die Suizidrate trotz steigender Arbeitslosigkeit nicht sprunghaft angestiegen ist.

Unfälle nehmen ab

Zur aktuellen Krise gibt es noch keine entsprechenden Zahlen. Die Autoren halten jedoch fest, dass der Abschwung die psychische Gesundheit der Menschen längerfristig beeinträchtigen könnte.

Positiv wirken sich Krisen offenbar auf die Unfallstatistik aus: Pro einem Prozent mehr Arbeitslosen verringerte sich die Zahl der Unfälle im Straßenverkehr um 1,4 Prozent. Das liege daran, dass Menschen in schwierigen Zeiten dazu neigen, mehr zu Fuß zu gehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.07.2009)

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