Pestizide: Glyphosat vor Neuzulassung

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Am Dienstag soll auf EU-Ebene über die Neuzulassung des Wirkstoffes Glyphosat entschieden werden. Grüne und Umweltschützer laufen Sturm dagegen.

Wien. „Wir haben keine Position dazu, wir werden ja nicht gefragt.“ Sagt der Pressesprecher der Landwirtschaftskammer, gefragt nach der Haltung der Bauernvertreter zum Pflanzenschutzmittel Glyphosat. Am heutigen Dienstag soll auf EU-Ebene über die Neuzulassung des Pestizides entschieden werden. Grüne und Umweltschützer laufen Sturm gegen die Zulassung, die für 15 Jahre in allen EU-Staaten gelten würde. Die Stimmung ist aufgeheizt.

Vor diesem Hintergrund will sich niemand als Pestizid-Befürworter deklarieren. Guenther Rohrer, bei der Landwirtschaftskammer zuständig für das Thema Pflanzenschutz, beruft sich auf die Stellungnahmen der Experten. Die Europäische Agentur für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und das Deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hatten Glyphosat, wie es derzeit eingesetzt wird, als unbedenklich eingestuft. „Wenn diese Organisationen für die Zulassung sind, sind wir auch dafür“, so Rohrer. Er sagt aber dazu: „Wenn wir Glyphosat nicht mehr verwenden könnten, kostet uns das Geld und hat nachteilige Auswirkungen auf das Ökosystem.“

Glyphosat ist das meistverwendete Pestizid der Welt. Aber auch eines der meistgehassten. Vertrieben wird es vor allem vom Agrarkonzern Monsanto. Das US-Unternehmen setzt rund 15 Mrd. Dollar (13,7 Mrd. Euro) im Jahr um, davon etwa ein Drittel mit Pflanzenschutzmitteln, vor allem Glyphosaten. Vertrieben werden sie unter der Marke „Roundup“. Bauern vernichten damit auf ihren Feldern Unkraut, Private verwenden es in ihren Gärten.

Darüber, ob Glyphosat gefährlich für den Menschen ist, tobt ein Streit. Die EFSA und das BfR stuften Glyphosat als unbedenklich ein. Die IARC hingegen, ein Untergremium der Weltgesundheitsorganisation WHO, als „wahrscheinlich krebserregend“. Bei genauerem Hinsehen ist das kein Widerspruch: Das WHO-Gremium untersuchte die Gefahr, die im schlimmsten Fall von Glyphosat ausgeht, unabhängig von der Dosis. Die EFSA hingegen berücksichtigte in ihrer Bewertung solche Faktoren und kam dabei freilich zu einem anderen Schluss.

Klage gegen EFSA und Monsanto

Für Grüne und Umweltschützer ist Glyphosat trotzdem Teufelszeug. Die Umweltschützer von Global 2000 finden gar, einige Agenturen hätten sich mit ihrer Einschätzung strafbar gemacht. Global 2000 hat gegen das BfR, die EFSA und den Saatguthersteller Monsanto Klage bei der Staatsanwaltschaft eingebracht: Grund seien schwere Mängel bei der Vorgehensweise, die zur Beurteilung des Mittels als „nicht krebserregend“ führten. Auch die Grünen wollen Glyphosat verboten sehen. Agrarsprecher Wolfgang Pirklhuber appellierte an Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter (ÖVP), sich gegen die Zulassung einzusetzen. Alles andere wäre „grob fahrlässig“, findet Pirklhuber.

„Geleaktes“ Dokument überrascht nicht

Doch auch das Landwirtschaftsministerium hat zum Thema keine Meinung. „Das ist eine Entscheidung der Experten, die Politik macht da keine Vorgaben“, sagt eine Sprecherin und verweist auf die österreichische Agentur für Ernährungssicherheit (AGES), die Österreich in der Causa auf Expertenebene vertritt. Global 2000 veröffentlichte am Sonntag ein AGES-Dokument, aus dem hervorgehe, dass Österreich eine Neuzulassung unterstütze. Diese „geleakte“ Information ist bei näherem Hinsehen keine Überraschung: Die Agentur machte schon vor längerer Zeit klar, dass Glyphosat laut ihrer Einschätzung bei sachgerechter Anwendung für den Menschen unbedenklich sei. Es schädige weder das Erbmaterial noch werde die menschliche Fortpflanzung negativ beeinflusst. Die AGES empfiehlt aber ein Verbot im privaten Bereich. Für die Neuzulassung ist eine qualifizierte Mehrheit notwendig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.03.2016)

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