Rockefellers sagen sich vom Öl los

John Davison Rockefeller - Unternehmer, USA
John Davison Rockefeller - Unternehmer, USAullstein bild / Ullstein Bild / picturedesk.com
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Die Erben verdammen die Quelle ihres Reichtums: Sie werfen Exxon Mobil „moralisch verwerfliche Praktiken“ vor. Der Ölkonzern beklagt eine Verschwörung. Was steckt dahinter?

Wien/New York. Ein kleiner Schritt mit großem Symbolgehalt: Der Rockefeller Family Fund trennt sich von allen Anlagen in fossile Brennstoffe. Angesichts der „existenziellen Bedrohung“ durch den Klimawandel gebe es „keinen vernünftigen Grund“, weiter nach Öl zu bohren und Kohle zu schürfen. Das ist natürlich für Schlagzeilen gut. Denn die gemeinnützige Stiftung gehört den Erben des reichsten Menschen der Neuzeit, der sein unermessliches Vermögen ausgerechnet dem Ölgeschäft verdankte.

Dieser John D. Rockefeller war ein echter Philanthrop. Auch seine Nachfolger gründeten mehrere wohltätige Organisationen. Der größere Rockefellers Brothers Fund sagte sich schon vor eineinhalb Jahren publikumswirksam von den Wurzeln los. Damit wurde die Familie zum Aushängeschild der Divestment-Bewegung, die Anleger in aller Welt zum Verkauf von fossilen Aktien drängt. Freilich: Der Großteil des Erbes liegt nicht hier, sondern in zwei anderen Familienstiftungen. Und tatsächlich geht es aktuell nur um den sehr bescheidenen Betrag von acht Mio. Dollar. Die pikante Pointe ist vielmehr dies: Die Rockefellers erklären nun ganz gezielt Exxon Mobil den Krieg.

Eine verdächtige Sitzung

Der weltgrößte Ölkonzern ist nämlich eines jener Unternehmen, die aus Standard Oil hervorgingen, dem Grundstein des Imperiums von Stammvater John D. Der Vorwurf der Erben: Das Management agiere „moralisch verwerflich“, weil es seit Jahrzehnten die Gefahren des Klimawandels kenne und verschleiere. Die Beschuldigten reagieren mit ebenso harten Bandagen: Man wundere sich gar nicht über den Rückzug dieser Anleger, weil „sie bereits eine Verschwörung gegen uns finanzieren“. Denn der Family Fund finanziere „gezielt irreführende“ Berichte über Exxons Forschung zum Klimawandel.

Die Geschichte dahinter: Im vorigen Herbst veröffentlichten Studenten der Journalismusschule an der Columbia University, die auch den Pulitzerpreis vergibt, eine Artikelserie in der „Los Angeles Times“. Ein Jahr lang hatten sie daran gearbeitet, in Archiven gewühlt, mit früheren Exxon-Mitarbeitern geredet, die Pressestelle mit Fragen traktiert. Das Ergebnis war ein Frontalangriff auf den Ölkonzern. Exxon war, unbestritten, in den 1980er-Jahren ein Vorreiter in der Erforschung des Klimawandels – durch eigene Experten und Finanzierung von Studien. Doch Anfang der 90er-Jahre kam ein seltsamer Wandel: Seitdem stellt das Unternehmen das Ausmaß der Erderwärmung und die Sinnhaftigkeit seiner Bekämpfung in teuren Kampagnen infrage. Die Nachwuchsjournalisten glauben, den Grund gefunden zu haben: In einer Sitzung im Jahr 1989 präsentierte der hauseigene Forschungsdirektor dem Aufsichtsrat seinen Wissensstand – vor allem, dass er durchaus in der Lage sei, die CO2-Zukunft vorauszusagen. Und diese Prognose habe sich als so düster erwiesen, dass sie die Firma lieber für sich behielt, zu mauern begann – und damit Öffentlichkeit und Aktionäre jahrzehntelang täuschte.

Ein verdächtiges Projekt

Die Artikelreihe ließ auch die Justiz aufhorchen. Im November startete der Generalstaatsanwalt von New York Ermittlungen gegen Exxon. Dort wehrt man sich verbissen: Die Artikel seien „falsch“ und „verzerrt“. Ihre Basis war ein Uni-Projekt. Es sollte untersuchen, wie die fossile Rohstoffindustrie mit Erkenntnissen der Klimaforschung umgeht. Ganz ergebnisoffen, beteuern die Initiatoren, und ohne sich gleich auf Exxon zu stürzen. Genau das glaubt man beim angegriffenen Ölkonzern nicht. Denn die Autoren hätten den Lesern anfangs die Namen ihrer Financiers verheimlicht: lauter Organisationen, die als Klimawandel-Aktivisten bekannt sind. Darunter: die wohltätigen Fonds der Rockefellers. Mehr noch: Der Rektor der Edelfeder-Schmiede machte sich seinen Namen mit einem kritischen Buch über – erraten: Exxon.

Dafür erhielt er den Pulitzerpreis, und dieser Oscar der Journalisten könnte nun auch seinen Studenten winken. Gestiftet hatte ihn einst Joseph Pulitzer. Der Zeitungsmacher aus dem 19. Jahrhundert lobte übrigens auch eine Belohnung für Informationen über „Doc Rockefeller“ aus – dem Vater von John D., der seine Familie verließ und nicht mehr zu finden war. Vater Rockefeller war ein Quacksalber, der ohne Diplom als „Kräuterdoktor“ durch die Lande zog. Dieses peinliche Geheimnis hätte die Familie gern für sich behalten. Sie hat also gestern in zweifacher Hinsicht die Fronten gewechselt: weg von der Ölförderung, hin zum investigativen Journalismus.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.03.2016)

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