Deutscher Mittelstand bei Mode nur Mittelmaß?

Models have special hairstyle as they present a collection by Irene Luft at the Berlin Fashion Week Autumn/Winter 2016 in Berlin
Models have special hairstyle as they present a collection by Irene Luft at the Berlin Fashion Week Autumn/Winter 2016 in BerlinREUTERS
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Mittelmaß beim Mittelstand: Viele Modehersteller mussten zuletzt den Rotstift ansetzen. Die Branche war in den vergangenen Jahren von zahlreichen Insolvenzen geprägt.

Wien/Düsseldorf. „Willkommen bei Steilmann“. Auf der Internetseite der deutschen Modefirma werden Röcke und Hosen angeboten, T-Shirts und Jacken. Oberflächlich betrachtet, sieht alles ganz normal aus. Doch hinter den Kulissen spielen sich derweil dramatische Szenen ab. Das Unternehmen ist nämlich zum zweiten Mal binnen zehn Jahren in die Pleite gerutscht. Nun soll der Insolvenzverwalter einen Rettungsversuch starten.

Mit der Insolvenz von Steilmann hängen nicht nur rund 8300 Beschäftigte in der Luft. Auch zahlreichen Kleinanlegern dürfte der Totalausfall ihrer Veranlagung drohen. Denn Steilmann war erst im Herbst des Vorjahres an die Börse gegangen. Die Papiere sind seit Ende dieser Woche fast nichts mehr wert.

Steilmann konzentriert sich mit seiner Ware auf die Altersgruppe der über 45-Jährigen und rangiert im mittleren Preissegment. Doch die Konkurrenz in der Modebranche schläft nicht. Unternehmen wie Inditex oder H&M decken mit ihren Marken inzwischen mehrere Zielgruppen ab. Sie können ihre Kollektionen nicht nur schneller auf den Markt bringen, sondern aktuelle Trends auch zeitnah bedienen. Zusätzlich stehen den Konzernen andere Budgets zur Verfügung, um Kunden in die Filialen zu locken.

„Mit mittleren Qualitäten, mittleren Preisen und einer nur mittelmäßig bekannten Marke lässt sich heute kein Kunde mehr gewinnen“, resümiert das „Handelsblatt“. Steilmann ist bei Weitem nicht die einzige deutsche Modefirma, die zuletzt in Schwierigkeiten geraten ist.

Erst Ende Februar kündigte die Modefirma Gerry Weber ein umfassendes Sparprogramm an. Nach einem Gewinneinbruch im abgelaufenen Geschäftsjahr sah sich das Unternehmen gezwungen, zehn Prozent seiner 7000 Arbeitsplätze zu streichen. Von den knapp 1300 Filialen sollen rund hundert geschlossen werden. Damit legt die Firma den Rückwärtsgang ein. Denn zuvor hat man stark auf Expansion gesetzt. Diese sei zu schnell vonstattengegangen, räumte nun Vorstandschef Ralph Weber ein. Schlechtes Wetter und ein dramatischer Einbruch bei der Kundenfrequenz in kleineren und mittelgroßen Städten machten der Kette ebenfalls zu schaffen. Eigene Filialen zu betreiben ist zudem wesentlich teurer als der Vertrieb über Franchise-Partner, da der Hersteller auf den Kosten sitzen bleibt.

Probleme bei Strenesse, Escada

Bei Tom Tailor aus Hamburg stehen die Zeichen ebenfalls auf Neuausrichtung. Diese wird allerdings erst ab Ende 2018 voll greifen. Der Plan sieht die Schließung von Geschäften vor, der Abbau von 100 Beschäftigten wird ebenfalls vollzogen. „Die Textilbranche durchläuft eine rasante Veränderung, getrieben durch die Digitalisierung und die veränderten Einkaufsgewohnheiten der Kunden“, sagt Vorstand Dieter Holzer. Schleppende Geschäfte wie ungünstiges Wetter sorgten hier für rückläufige Gewinne. Zuletzt verfehlte auch Hugo Boss seine Jahresziele. Dem Unternehmen machten Rabattschlachten und ein schwaches Auslandsgeschäft zu schaffen. Nach acht Jahren an der Spitze nahm Vorstand Claus-Dietrich Lahrs schließlich den Hut.

Strenesse wiederum meldete 2014 Insolvenz in Eigenverwaltung an. Zwischen Mittelpreis und Premiumsegment angesiedelt, konnte die Marke weder bei der Mittelschicht (zu teuer) noch bei der gehobenen Klientel (zu wenig exklusiv) punkten. Die indische Stahlfamilie Mittal wiederum sicherte der Luxusmarke Escada das Überleben. Doch im Vorjahr musste man auch hier den Rotstift ansetzen. (nst)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.03.2016)

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