Das System Putin: Strohmann, Briefkästen, beste Freunde

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Putin scheint in den Panama-Papers kein einziges Mal auf. Sehr oft hingegen die Namen seiner engsten Vertrauten.

Wien. Wie kann man sich den idealen Strohmann denken? Wer kann sich am besten vor jemand anderen stellen, der verbergen will, wie reich er ist und wie er zu seinem Vermögen kam? Absolut loyal und treu sollte er sein, aber mit der Finanzwelt wenig am Hut haben. Die beste Tarnung: ein Mann der schönen Künste, aber kein richtiger Star – also jemand, den niemand mit dubiosen Firmenkonstrukten und verschobenen Milliarden in Verbindung bringt.

Sergej Rodulgin ist ein russischer Cellist. Er lebt für die Musik, reist viel auf Konzerttourneen herum – und ist seit fast vierzig Jahren einer der besten (laut „Newsweek“ der beste) Freund Wladimir Putins. Er machte den russischen Präsidenten mit seiner späteren Frau bekannt und ist Taufpate seiner Tochter. Ein Geschäftsmann, sagt er von sich selbst, sei er keiner. Aber bei der Auswertung der Panama-Papers stießen die Ermittler immer wieder auf den Namen Rodulgin: als Eigentümer und Zeichnungsberechtigter einer Reihe von Briefkastenfirmen in Steueroasen, vor allem den Virgin Islands, die von der panamesischen Kanzlei Mossack Fonseca (Mossfon) aufgestellt wurden. Das Ergebnis der Recherche: Innerhalb weniger Jahre wurden rund zwei Milliarden Dollar durch diese Offshore-Firmen geschleust.

Eine Bank im Zentrum

So manche Analysten und Biografen sind überzeugt, dass Putin auf dem Weg zur Macht ein immenses Vermögen angesammelt hat und heute einer der reichsten, wenn nicht der reichste Russe ist. Beweise gibt es dafür keine, bis heute nicht. Auch in den Mossfon-Daten, die der „Süddeutschen“ zugespielt wurden, taucht der Name Putins kein einziges Mal auf. Aber dafür die seiner engsten Vertrauten umso öfter. Man weiß aus Mitschnitten und Augenzeugenberichten, dass selbst diese Konfidenten den Namen ihres Herrn nicht aussprechen, wenn sie über dessen Geschäfte reden, sondern auf Pseudonyme ausweichen oder mit der Hand in den Himmel weisen. PanamaLeaks gewähren nun erstmals genug Einblick in die Finanzströme im Umfeld des Kreml-Chefs, um die Arbeitsthese der auswertenden Journalisten zumindest hoch plausibel zu machen: dass es Putin selbst ist, der in diesem diskret gesponnenen Netzwerk die Fäden zieht.

Dabei geht es um sehr viel Geld. Schon 2013 sprach der russische Zentralbank-Chef ganz offiziell von 50 Mrd. Dollar, die außer Landes geschafft worden waren, der Großteil von einer einzigen Gruppe von Leuten. Namen nannte er keine. Putin selbst wettert gegen „unpatriotische“ Oligarchen, die ihr Geld durch Offshore-Geschäfte der Volkswirtschaft entziehen. Seine Anti-Geldwäsche-Behörde hat sehr weit gehende Befugnisse und agiert wie ein Geheimdienst. Was für die von der „Süddeutschen“ befragten Experten nur einen Schluss zulässt: Es gibt Geldflüsse von ganz oben, vor denen die Beamten die Augen verschließen.

Ein Cellist reicht natürlich nicht aus, um ein hochkomplexes Geflecht von Briefkastenfirmen zu managen. Zumal Rodulgin viel unterwegs ist und oft schnelle Unterschriften vonnöten sind. Tatsächlich gesteuert werden die Geschäfte von der Petersburger Bank Rossiya. Und auch das nicht direkt, eine Zürcher Anwaltskanzlei ist zwischengeschaltet. Aus gutem Grund: Bei diesem Institut müssten sonst im Risikomanagement in Panama die Alarmglocken läuten. Es steht nämlich auf der US-Sanktionsliste und gilt in Amerika als „Putins Geldkassette“. Mehreren engen Vertrauen gehören große Anteile des Geldhauses.

Dubiose Geldströme

Was aber sind es für Geschäfte, die über die Briefkastenfirmen des Cellisten laufen? Zunächst halten diese Hüllen indirekt Beteiligungen und Aktienoptionen an großen russischen Unternehmen. Oder sie sichern sich Einfluss auf die Geschäftsführung, wie beim Militärlaster- und Panzerhersteller Kamaz – auch kein typisches Thema für einen Musiker. Vor allem aber scheint es nach den Unterlagen darum zu gehen, hohe Beträge zur Seite zu schaffen. Manche der Tricks klingen auch hierzulande vertraut, wie fingierte Honorare für angebliche „Beratungsleistungen“ oder „Entschädigungen“ für gescheiterte Geschäfte.

Um besonders hohe Beträge ging es bei einer enorm großzügigen Kreditlinie: 800 Millionen Dollar flossen von einer damaligen Zypern-Tochter der staatlichen russischen VTB-Bank an eine der Offshore-Firmen. Woher diese das Geld hatte und wozu es diente, ist offen. Ein handfesterer Fall: Im Jahr 2013 erhielt Arkady Rotenberg, einst Putins Judo-Sparringpartner und heute Milliardär, einen staatlichen Großauftrag für die damals geplante Gaspipeline South Stream (zu der es wegen der Ukraine-Krise nicht kam). Kurz darauf überwiesen mehrere anonyme Firmen, hinter denen Rotenberg und sein Bruder stehen, rund 200 Millionen Dollar an eine der Briefkastenfirmen des Cellisten Rodulgin. Als Kredit, mit fast allem, was dazugehört. Eines jedoch fehlt im Kreditvertrag: ein Hinweis darauf, ob, wann und wie die Mittel jemals zurückgezahlt werden sollen. Den umgekehrten Weg, aus der Karibik nach Russland, nahm ein anderer Kredit: Er floss an einen Putin-Kumpanen, der damit ein Skiresort finanzierte – der Ort, an dem eine Tochter des Präsidenten dann prunkvoll Hochzeit feierte.

Die russische Regierung hat auf all diese Enthüllungen schon im Vorfeld gereizt reagiert, in der Tonalität des Kalten Krieges. Am Montag legte ein Sprecher nach: In Wirklichkeit steckten hinter den „Erfindungen“ und „Fälschungen“ westliche Agenten. Denn viele beteiligte Journalisten seien „frühere Mitarbeiter des US-Außenministeriums, des CIA und anderer Geheimdienste“. Mehr noch: „Russland und die anstehenden Wahlen“ seien das wahre Hauptziel der Veröffentlichungen, „besonders die Destabilisierung der Lage“. Der Zar im Kreml zeigt sich erzürnt. (gau)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.04.2016)

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