Wirtschaftskriminalität: Im Graubereich der Globalisierung

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Cerro Ancon, view, Panama City, Panama, Panama, Central America, town, city(c) Heeb Christian / dpa Picture All (Heeb Christian)
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214.000 Firmen sind in den Panama-Papers enthalten. Was könnte noch kommen, und wozu braucht es Offshore-Firmen überhaupt?

Wien. Auch wenn sich die öffentliche Aufmerksamkeit vor allem auf Premierminister, Staatsoberhäupter und Mitglieder von Adelshäusern konzentriert: Lionel Messi dürfte wohl der weltweit bekannteste Prominente sein, dessen Namen sich in den Panama-Papers findet. Für den fünffachen Weltfußballer des Jahres ist das nicht nur sehr peinlich – es kann auch strafrechtlich unangenehm werden. Denn bereits seit 2013 läuft ein Steuerverfahren gegen ihn, bei dem bis zu 22 Monate Haft drohen. Dieses Verfahren dürfte nun zusätzlichen Auftrieb erhalten.

Bei Messi deutet vieles darauf hin, dass er aus steuerlichen Gründen Offshore-Gesellschaften errichten ließ. Doch welche legalen Gründe kann es eigentlich für einen Briefkasten in der Karibik geben? Und welche Vorgaben müssen heimische Banken beim Geschäft mit diesen erfüllen? „Die Presse“ hat die Antworten:

1. Welche Informationen sind in den geleakten Daten enthalten und welche bereits publik?

Im ersten Schritt stehen Politiker und Prominente im Vordergrund der Enthüllungen. Aber die meisten Eigner der 214.000 Briefkastenfirmen, die von der Anwaltskanzlei Mossack Fonseca erstellt wurden, haben nicht ganz so klingende Namen. Es geht auch um Firmen, von Siemens bis zu kleineren Mittelständlern. Oder um den Chef der britischen Großbank HSBC, der freimütig erklärte: Nur dank seines Geldverstecks konnte er vor seinen Kollegen geheim halten, wie viel er verdient. Wer sich mit harmlosen Absichten auf das Versteckspiel einlässt, befindet sich zumindest in sehr schlechter Gesellschaft: auch Drogenkartelle, Betrüger, Mafiabosse und Waffendealer nutzen gern die diskreten Dienstleister. Im Visier stehen freilich auch die 500 Banken, die seit den 1970er-Jahren der Kanzlei viele Kunden vermitteln – allen voran die schon genannte HSBC und die Schweizer Großbank UBS.

2. Wofür kann eine Offshore-Firma illegal genutzt werden, und was kann ein legaler Grund sein?

Offshore-Gesellschaften werden in der öffentlichen Wahrnehmung meist sofort mit Steuerhinterziehung oder Geldwäsche in Verbindung gesetzt. Grund dafür ist, dass dies in sehr vielen Fällen auch wirklich die Intention der Beteiligten ist. In den vergangenen Jahren werden Offshore-Firmen zudem auch immer wieder verwendet, um internationale Sanktionen zu umgehen. So soll das Regime des syrischen Präsidenten Assad so Treibstoff für die Armee besorgt haben. Doch kann es auch legale Gründe für die Errichtung einer Offshore-Firma geben?

Vertreter von Banken und Steuerberatern wehren sich dagegen, jegliche Offshore-Gesellschaften sofort als illegal einzustufen. Häufig handle es sich dabei um Geld, das etwa von Vermögenden noch während des Kalten Krieges gebunkert worden sei, um sich im Fall einer befürchteten Invasion der Roten Armee absetzen zu können. Ähnlich dürfte die Intention von Autokraten wie dem saudischen König aussehen, der sich wohl auf einen möglichen politischen Umsturz vorbereitet.

Eine Firma in einer Steueroase könne aber auch ganz andere, sehr spezifische Gründe haben, sagt der heimische Steuerexperte Stefan Bendlinger. In einem Fall habe etwa eine deutsche Firma sowohl mit arabischen Ländern als auch mit Israel Geschäfte getätigt. Da die Umsätze in Berichten geografisch aufgegliedert worden seien, habe man Angst gehabt, die Kunden zu verprellen. Daher seien die Geschäfte mit Israel über eine Schweizer Briefkastenfirma abgewickelt worden. Ein anderer Fall sei ein heimischer Online-Wettanbieter, der sein Geschäft von den Cayman Islands aus lizensiert. Da das Geschäft auch physisch dort beheimatet sei, wäre dies jedoch vollkommen legal.

3. Was müssen Banken bei Offshore-Firmen überprüfen, und wie können sie das machen?

Die Banken müssen überprüfen, wer der wirtschaftlich Berechtigte des Offshore-Unternehmens ist, und einen Plausibilitätscheck durchführen, ob seine Einkünfte aus seriösen Quellen stammen. Besonderes Augenmerk wird dabei darauf geworfen, ob es sich um eine Person mit politischen Ämtern oder einen Verwandten einer solchen handelt. Bei diesen ist laut Gesetz nämlich erhöhte Vorsicht geboten (Korruption).

Dieser Check erfolgt mittels vom Kunden bereitgestellter Daten, die Banken arbeiten dafür aber auch mit externen Informationsquellen zusammen. Auch während der Geschäftsbeziehung sind die Banken verpflichtet zu überprüfen, ob es etwa ungewöhnlich hohe Transaktionen gibt. Ein Verdacht von Geldwäsche muss ans Bundeskriminalamt gemeldet werden. Die Finanzmarktaufsicht (FMA) überprüft regelmäßig stichprobenartig Einzelfälle und führt bei Verstößen selbst Verdachtsmeldungen durch. Im Vorjahr erfolgte dies in 22 Fällen.

4. Welche Rolle spielt die Anwaltskanzlei in Panama, deren Daten nun öffentlich sind?

Das kleine Panama hat ein lukratives Geschäftsmodell gefunden: Offshore-Geschäfte. Wie Luxemburg Konzernen Steuervorteile gewährt, so bieten Rechtsanwaltskanzleien in Panama City maßgeschneiderte Briefkastenfirmen an. Oft nur für 1000 Dollar bekommen Kunden aus aller Welt eine anonyme Firma aufgestellt. Gegen Aufpreis gibt es Scheindirektoren, die den wahren Eigentümer verschleiern. Manche von ihnen verwalten so Hunderte oder gar Tausende Firmen. Sie unterschreiben Blankovorlagen für Verträge, in die der Kunde dann den passenden Text einfügen kann. Die Offshore-Spezialisten arbeiten in der Regel nicht direkt mit Endkunden zusammen. Banken oder Vermögensverwalter kommen mit dem Kundenwunsch auf sie zu. Damit laden sie einen Teil der juristischen Verantwortung aus den Geldwäscherichtlinien auf diese Vermittler ab. Einer der weltgrößten Anbieter mit Niederlassungen in 44 Ländern ist Mossack Fonseca (andere wichtige Finanzkanzleien vor Ort sind Aléman, Cordero, Galindo & Lee sowie Arias, Fábrega & Fábrega). 1977 gegründet, ist der kurz Mossfon genannte Platzhirsch mit heute über 500 Mitarbeitern ursprünglich das Werk des gebürtigen Deutschen Jürgen Mossack (68).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.04.2016)

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