Vom armen Italien und der bösen Hochfinanz

Italy's former Prime Minister Silvio Berlusconi gestures as he appears as a guest on the RAI television show Porta a Porta (Door to Door) in Rome
Italy's former Prime Minister Silvio Berlusconi gestures as he appears as a guest on the RAI television show Porta a Porta (Door to Door) in RomeREUTERS
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Ein Staatsanwalt im Provinzstädtchen Trani ist der Liebling aller Verschwörungstheoretiker. Um zu beweisen, dass Berlusconi einem Komplott zum Opfer gefallen ist, legt er sich nun mit der Deutschen Bank an.

Wien. Eigentlich sind Staatsanwälte ja die erklärten Feindbilder von Silvio Berlusconi. Aber einen muss der italienische Ex-Premier ins Herz geschlossen haben: Michele Ruggiero in der kleinen apulischen Hafenstadt Trani. Der unerschrockene Herausforderer der internationalen Hochfinanz ermittelt seit Jahren ebenso hartnäckig wie ergebnislos gegen die US-Ratingagenturen. Nun hat er sich die Deutsche Bank vorgenommen. Alle gemeinsam sollen 2011 Teil eines großen Komplotts gewesen sein, mit dem Ziel, den Regierungschef zu stürzen – wofür man das Land an den Rand des Staatsbankrotts trieb. So beschreibt es Berlusconi selbst im Kapitel „Internationale Intrige“ seiner Biografie „My Way“.

Wie aber passt die Deutsche Bank in dieses düstere Szenario? Das größte deutsche Geldinstitut trennte sich im ersten Halbjahr 2011 vom Gros seiner italienischen Staatsanleihen im Wert von sieben Mrd. Euro. Was der Markt als „klares Signal des Misstrauens“ gegen die Regierung auffassen musste. Und die „Manipulation“ habe funktioniert: Von Juli bis November schoss der Risikoaufschlag auf fast 600 Basispunkte hinauf. Die Deutsche Bank versteht den Vorwurf nicht: Nach dem Kauf der Postbank, erklärt sie, hatte sie viel zu viele Anleihen im Portfolio. Deshalb habe man verkauft, nicht nur Italien-Bonds, sondern auch solche anderer Länder.

Viel Aufsehen, wenig Erfolg

Im Visier der Ermittlungen sind alle wichtigen Namen der Bank: Josef Ackermann, Jürgen Fitschen, Anshu Jain. Büros der Tochter in Mailand werden durchsucht, Akten und Mails beschlagnahmt. Die Granden der Politik müssen sich als Zeugen in den tiefen Süden aufmachen. Und die Getreuen Berlusconis jubeln: Endlich komme die Wahrheit ans Licht! Für sie war der Sturz ihres Idols immer schon von Europas „Zuchtmeisterin“ Merkel und ihren Vasallen in Brüssel inszeniert. Weil diese wussten, dass Rom angeblich einen Euroaustritt plante, musste Berlusconi fallen und dem EU-freundlichen Technokraten Mario Monti Platz machen. Und von der Wall Street bis Frankfurt spielten alle mit.

Eine Verschwörungstheorie, die nicht mehr sehr breit auf fruchtbaren Boden fällt. „La Repubblica“ kommentiert nüchtern: „Von allen Schandtaten, mit denen sich die Deutsche Bank befleckt haben könnte, ist der Sturz der Regierung Berlusconi die bei Weitem unwahrscheinlichste.“ Um noch als Helden durchzugehen, sind zu viele aufsehenerregende Fälle der Staatsanwaltschaft Trani im Sand verlaufen. Die Untersuchungen gegen Moody's wegen Kurstreiberei, Manipulation und Fehlinformation wurden eingestellt. Gegen Standard & Poor's und Fitch ermittelt Ruggiero zwar verbissen weiter. Aber beschuldigte Analysten, die seinen Klauen entkamen, wurden von Staatsanwälten in Mailand rasch reingewaschen. Ihre abgehörten Telefonate enthüllten keine Verschwörung, im Gegenteil: Es ging ihnen nur darum, wie sie ihre verschlechterte Einschätzung der Kreditwürdigkeit Italiens der Öffentlichkeit so mitteilen, dass es zu möglichst wenigen Erschütterungen auf den Märkten kommt.

Aber die Staatsanwaltschaft Trani verdächtigt die Finanzwelt nicht nur hinterlistiger Attacken gegen den Staat. Sie zog auch 2014 gegen American Express ins Feld, wegen angeblicher Wucherzinsen. Ein Vorwurf, den sie auch gegen Italiens Nationalbank erhob. Recherchen gegen den Hochfrequenzhandel führten nicht weit. Kein Wunder: Besondere Kompetenzen in Sachen Finanzwesen und Wirtschaftskriminalität kann die kleine Truppe nicht vorweisen. Sie nutzt nur eine italienische Rechtsregel: Wenn eine präsumtive Tat im Ausland begangen wurde, bleibt die Causa beim erstbesten Staatsanwalt, der sie sich unter den Nagel reißt.

Der oberste Kollege in Mailand (und nicht nur er) murrt mit Blick auf Trani über die „Geltungssucht gewisser Staatsanwälte, die sich als Schützer des Wahren und Rechten hinstellen“. Aber unten in Apulien kämpft man unbeirrt weiter, heftig akklamiert in sozialen Netzwerken. Ganz besonders, als die Magistrati von Trani mit dem Verdacht für Wirbel sorgten, ein Impfstoff gegen Masern verursache Autismus und Diabetes. Aber auch diesen glamourösen Fall legten sie vor Kurzem still und leise zu den Akten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.05.2016)

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