EU-Richtlinie: Kampfansage an die Kurzfristigkeit

Ab 2017 soll in Geschäftsberichten auf Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelange eingegangen werden.
Ab 2017 soll in Geschäftsberichten auf Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelange eingegangen werden.(c) APA/HANS KLAUS TECHT
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Ab 2017 werden in der EU nachhaltige Kriterien in Geschäftsberichten verpflichtend. Das könnte ein Weg zu mehr wirtschaftlichem Erfolg sein, sagt Harvard-Professor Robert Eccles.

Wien. Wohl kaum ein Wort wurde in den vergangenen zehn Jahren so inflationär verwendet wie „Nachhaltigkeit“. Mit einer unklaren Definition versehen soll es viel aussagen, bedeutet oft aber nichts Konkretes. Trotzdem gehört es bei vielen Unternehmen bereits zum Standard, jährlich einen bunten Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen, in dem es sich mit schönen Bildern der eigenen Erfolge im Bereich des Umweltschutzes oder des Umgangs mit den Mitarbeitern rühmt.

Doch was bisher auf freiwilliger Basis erfolgte, wird ab dem kommenden Jahr für größere Firmen zur Pflicht. Dann tritt nämlich eine EU-Richtlinie in Kraft, die Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern, mehr als 20 Millionen Euro Bilanzsumme oder mehr als 40 Millionen Euro Nettoumsatz sowie einem gewissen öffentlichen Interesse dazu verpflichtet, „nicht finanzielle Daten“ in den Geschäftsbericht aufzunehmen. Mit diesen solle zumindest auf Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelange eingegangen werden. Eine Vorgabe, die hierzulande rund 200 Firmen betreffen wird und wohl nicht überall auf große Gegenliebe stößt, weil sie zusätzliche Arbeit schafft.

„Wenn nur irgendwelche, für das Unternehmen eigentlich unwesentlichen Daten publiziert werden und sich auch niemand wirklich dafür interessiert, dann ist das sicherlich nur eine Bürokratie-Übung“, sagt dazu Robert Eccles von der US-Elite-Uni Harvard zur „Presse“. Der auf das Thema Nachhaltigkeit spezialisierte Professor war auf Einladung der Beratungsgesellschaft EY in der Vorwoche in Wien. Wenn die Unternehmen das Thema jedoch ernst nehmen, dann könnte die Vorgabe der EU aber eine Chance für mehr wirtschaftlichen Erfolg sein, so Eccles weiter.

Langfristigkeit wirkt

„Nachhaltigkeit kann ein Feigenblatt sein und für viele Unternehmen ist es das auch.“ Anders sehe die Sache aber aus, wenn eine Firma es schaffe, die für ihren Erfolg entscheidenden langfristigen Faktoren zu identifizieren. Dann kann sich das sowohl bei den Geschäftszahlen als auch beim Börsenwert in harter Währung rentieren. Das ist zumindest das Ergebnis einer Langzeitstudie, die Eccles im Rahmen der Harvard Business School zwischen 1991 (als das Thema Nachhaltigkeit in den USA erstmals groß aufkam) und 2009 durchgeführt hat. Dabei wurden 90 Unternehmen ausgewählt, die als „sehr nachhaltig“ klassifiziert wurden. Weitere 90 Firmen, die in Größe und Branche ähnlich, aber „kaum nachhaltig“ waren, bildeten die Kontrollgruppe.

„Die Performance der nachhaltigen Unternehmen war statistisch signifikant höher. Sowohl beim Börsenwert als auch bei den realen Erträgen“, so Eccles. Die Schere ging allerdings erst nach sieben Jahren auseinander. Es dauert also eine gewisse Zeit, bis sich langfristiges Denken in der Führungsetage auch auf Ergebnisse auswirkt. Die konkreten Gründe für die bessere Performance wurden in der Studie nicht erhoben. „Da kann man nur interpretieren. Es dürfte aber mit besserer Reputation, einer höheren Kundenloyalität und weniger Problemen mit Regulatoren zusammenhängen“, sagt Eccles. Die Ergebnisse der nachhaltigen Firmen waren nämlich vor allem dann besser, wenn sie im Endkundengeschäft tätig waren, wo das Firmenimage eine große Rolle spielt.

Dass unternehmerische Nachhaltigkeit vielfach immer noch als Orchideenthema wahrgenommen werde, hängt seiner Meinung nach auch damit zusammen, dass viele Firmenchefs einer älteren Generation angehören. „Wer über Nachhaltigkeit redet, dem wird gern unterstellt, ein Grüner zu sein, der kein Interesse am Shareholder-Value mehr hat. Das stimmt aber nicht.“

Der Brief des Blackrock-Chefs

Dies zeige auch der Brief, den Laurence Fink, der Chef der weltgrößten Investmentgesellschaft Blackrock, im Februar an die 500 größten Firmen in den USA und Europa versendet hat. Fink schreibt darin, dass Blackrock sich von den Firmen langfristigen Erfolg erwarte, weil die Investoren selbst auch langfristig – etwa für die Pension – sparen würden. „Die heutige Quartal-Hysterie ist komplett gegensätzlich zu dem langfristigen Ansatz, den wir eigentlich brauchen würden“, so Fink. Und er erwarte sich daher von den Unternehmen künftig jedes Jahr ein Strategie-Update, wie langfristig Wert geschaffen werden soll.

„Es geht nicht darum, elendslange Nachhaltigkeitsberichte zu erstellen, sondern kurz und knapp jene Punkte zu definieren, die für die Zukunft der Firma wirklich entscheidend sind“, sagt Eccles. Diese sollten dann mit den klassischen Finanzkennzahlen in einem sogenannten Integrated Report veröffentlicht werden. Ein Vorbild dafür wäre der US-Konzern General Electric, der das heuer auf 68 knappen Seiten erstmals gemacht habe.

Welche Punkte darin enthalten sein müssen, hänge sehr stark von der konkreten Situation der Firma ab. Ein Beispiel für ein Thema, das nahezu jedes Unternehmen betreffe, sei jedoch der Klimawandel. „Dabei geht es aber nicht darum, die eigenen CO2-Emissionen zu nennen. Das ist in der Regel komplett uninteressant für den Erfolg der Firma“, so Eccles.

Folgen des Klimawandels

Vielmehr bedeute das für einen Ölkonzern zu definieren, welche Assets langfristig gesehen wertlos werden könnten, weil sie aufgrund der gesetzlichen Voraussetzungen gar nicht gefördert und verbrannt werden können. „Eine Versicherung muss darauf eingehen, wie stark Schäden aufgrund des Wetters zunehmen könnten. Und eine Bank, welche Kredite – etwa an Energiefirmen – langfristig nicht zurückgezahlt werden könnten.“ Solche Informationen seien für Investoren wesentlich entscheidender als das jüngste Quartalsergebnis.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.05.2016)

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