Der Aufsichtsrat der Bank-Austria-Mutter UniCredit löst den erfolglosen Bankchef Ghizzoni ab. Viele Aktionäre waren unzufrieden.
Wien/Mailand. Die Tage von Frederico Ghizzoni an der Spitze der italienischen Bank Unicredit gezählt. Nachdem einige Investoren seine Ablöse gefordert hatten, hat der 60-jährige am Dienstag bei einer Sondersitzung der Bank-Austria-Mutter seinen Rücktritt erklärt, teilte die Bank Austria-Mutter in einer Presseaussendung am Dienstag mit. Über seine Ablösesumme habe er sich schon geeinigt, berichten Medien.
Ghizzoni will noch bis zur nächsten Aufsichtsratssitzung am 9. Juni im Amt bleiben. Bis dahin soll ein Nachfolger gefunden sein. Verwaltungsratspräsident Giuseppe Vita wurde mit der Suche nach einem Nachfolger beauftragt. Das Board dankte Ghizzoni für "die hohe Qualität seiner Arbeit im Interesse der Gruppe, der Aktionäre und der Mitarbeiter". Ghizzoni habe die Bank mit "großer Kompetenz" in extrem schwieriger Konjunktur geführt, hieß es in der Presseaussendung.
Als Favorit für die Nachfolge gilt italienischen Medienberichten zufolge Marco Morelli, Vizepräsident der Bank of America Merrill Lynch für Europa und Nahost. Im Gespräch ist auch der Franzose Jean Pierre Mustier, früherer Chef der Corporate-and-Investment-Banking-Abteilung der UniCredit.
Die Vorgänge in Italien sind auch für Österreich relevant. Denn UniCredit besitzt mit der Bank Austria einen der führenden Finanzkonzerne des Landes. Der 60-jährige Ghizzoni stand seit Oktober 2010 an der Spitze von UniCredit. Zuvor arbeitete er bei der Bank Austria in Wien als Vizechef und war für das Geschäft in Osteuropa verantwortlich. Die Aktionäre von UniCredit mussten in den vergangenen Jahren massive Kursverluste hinnehmen.
Trauerspiel an der Börse
Als Ghizzoni den Chefposten übernahm, kostete eine UniCredit-Aktie etwas mehr als zwölf Euro. Bis zum gestrigen Nachmittag ist der Kurs auf rund drei Euro gefallen.
Neben dem niedrigen Aktienkurs kritisieren Investoren die niedrigen Renditen und die angespannte Kapitalausstattung. Ghizzoni ist ein nüchterner und zurückhaltender Pragmatiker, der lieber im Hintergrund agiert. UniCredit ist in 17 Ländern vertreten. Die Hauptmärkte sind Italien, Österreich, Deutschland und Osteuropa. Wohin die Reise gehen soll, ist jedoch unklar.
In Agenturberichten wird spekuliert, dass UniCredit mit einer anderen europäischen Bank fusionieren könnte. Ghizzoni wird vorgeworfen, zu lang an nicht ertragreichen Beteiligungen wie in Kasachstan und in der Ukraine festgehalten zu haben. Allein das Abenteuer in Kasachstan kostete UniCredit zwei Milliarden Euro.
Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass Ghizzoni zu wenig auf die Bedürfnisse der Tochterbanken eingeht. Im Vorjahr gab es beispielsweise Gerüchte, dass die Bank Austria ihr Privatkundengeschäft in Österreich verkauft. Als möglicher Interessent galt die Bawag, die dem US-Investor Cerberus gehört. Mitarbeiter und Kunden der Bank Austria waren verunsichert.
Doch Ghizzoni äußerte sich monatelang nicht zur Zukunft der Österreich-Tochter. Nach langem Hin und Her stand im Dezember 2015 fest, dass Teile der Bank Austria doch nicht verkauft werden. Stattdessen sollen in den nächsten Jahren die Kosten gesenkt werden. Zu Beginn dieses Jahres trat der langjährige Bank-Austria-Chef Willibald Cernko überraschend zurück. Sein Vertrag wäre bis September 2018 gelaufen.
Gerüchte über Geldbedarf
Dem Vernehmen nach soll zuletzt die Chemie zwischen Cernko und Ghizzoni nicht gestimmt haben. Sowohl die Bank Austria als auch UniCredit stehen vor einem grundlegenden Umbau.
Aktionäre befürchten, dass die Bankengruppe für die Neuausrichtung Geld braucht. Doch das wäre bei dem niedrigen Aktienkurs ein schwieriges Unterfangen. Ende März sank das Kernkapital von UniCredit auf 10,5 Prozent.
Damit liegen die Italiener knapp über der von der Europäischen Zentralbank für heuer vorgeschriebenen Untergrenze von zehn Prozent. Um ohne Kapitalerhöhung Geld hereinzubekommen, könnte UniCredit lukrative Beteiligungen wie die polnische Bank Pekao, die türkische Tochter Yapi Kredit oder den Online-Wertpapierhändler FinecoBank verkaufen. Diese Beteiligungen sind mehrere Milliarden Euro wert.
Die Probleme bei UniCredit hängen mit dem globalen Wandel in der Finanzbranche zusammen. Das niedrige Zinsniveau und die schwache Konjunktur machen vielen Banken zu schaffen. Viele Filialen werden durch Online-Banking überflüssig. Daher muss Personal abgebaut werden.
Finanzexperten sind der Ansicht, dass Beteiligungsverkäufe und Sparprogramme nicht ausreichen, sondern dass sich Banken teilweise neu erfinden müssen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.05.2016)