Politik gibt dem Druck der Banken nach

TAUZIEHEN. Die EU kann sich mit den USA nicht über neue Vorschriften für internationale Großbanken einigen.

Wien. Nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers haben die Regierungen weltweit neue Regeln für die internationalen Finanzmärkte in Aussicht gestellt. Die Spitzen der EU und der USA kündigten bei einem Krisengipfel vergangenen November in Washington einen Aktionsplan zum Umbau der globalen Geldmärkte an. Vieles sollte anders werden, so der Tenor. Die Rede war von einem neuen System für Ratingagenturen, strengeren Eigenkapitalvorschriften für Banken und Restriktionen für Hedgefonds. Doch die meisten Bemühungen sind im Sand verlaufen. Mit den Börsen geht es seit März steil bergauf, nicht nur US-Banken erzielten im ersten Halbjahr 2009 mit dem Handel von Wertpapieren wieder Milliardengewinne.

Die Finanzkrise scheint ihren Schrecken verloren zu haben, die versprochenen Reformen werden von der Politik auf die lange Bank geschoben. Am Freitag wurde bekannt, dass die EU-Kommission den Kreditinstituten vorerst nun doch keine Obergrenze für Schulden auferlegen wird.

Im Frühjahr hatte EU-Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy noch erklärt, bis Herbst eine neue Richtlinie über die Eigenkapitalvorschriften für Banken vorzulegen. Dem Vernehmen nach gab es massiven Widerstand vonseiten der Banken, die sich mit keiner Schuldengrenze anfreunden können. Daher sei erst 2010 mit entsprechenden Direktiven zu rechnen, heißt es in Brüssel. Kritiker befürchten, dass das Projekt zur Gänze ad acta gelegt wird. Vor der Finanzkrise gab es Institute, die mit einem Geschäftsvolumen arbeiteten, das 50- bis 60-mal so hoch war wie ihre Eigenkapitalausstattung. Als viele Geldhäuser im Vorjahr wegen fauler Kredite und giftiger Wertpapiere zu kollabieren drohten, mussten die Staaten weltweit zur Rettung mit Milliardenbeträgen einspringen.

Proteste an der Wall Street

Die Schweiz hat das Problem zuerst erkannt. Die dortige Finanzaufsicht plant drastische Limits. So dürfen die Ausleihungen nur noch 20-mal so hoch sein wie das Eigenkapital der Bank. Der Aufschrei der Großbanken ließ nicht lange auf sich warten. Sie befürchten Wettbewerbsnachteile gegenüber Rivalen in Asien und den USA. Eine fixe Schuldenquote mache nur Sinn, wenn sie weltweit für alle gelte, argumentieren die Lobbyingverbände der Kreditwirtschaft. Doch die Koordination zwischen der EU und den USA funktioniert nach wie vor nicht. Zwar legte US-Präsident Barack Obama ein ambitioniertes Programm über eine neue Finanzarchitektur vor. Doch die Umsetzung wird wegen massiver Proteste der Wall Street immer unwahrscheinlicher. „Ich denke, dass die Finanzkrise vorüber ist“, unterstrich jüngst Wayne Abernathy, Cheflobbyist der mächtigen „American Bankers Association“. Die Branche brauche daher keine neuen Regeln.

Einer Einschätzung, der die Politik gerne zu folgen scheint. Nicht nur in den USA. Vor allem die britische Regierung droht mit einem Veto. Sie befürchtet, dass bei strengeren Vorschriften der Finanzplatz London geschwächt werde. London müsse sich gegenüber großen Zentren wie New York, Shanghai und Tokio behaupten, heißt es in Großbritannien. Die Banken wenden außerdem ein, dass eine pauschale Obergrenze für Schulden nichts über die einzelnen Risken aussagt. Kredite für Firmen mit guter Bonität müssten anders bewertet werden als ausfallsgefährdete Darlehen.

Die Debatte ist auch für Österreichs Banken relevant. Auch wenn die EU die Pläne für eine Schuldenquote vertagt hat, wollen die Brüsseler Behörden im Herbst eine Sonderregelung für die in Osteuropa tätigen Finanzinstitute einführen. Laut „Financial Times Deutschland“ soll sich die exzessive Vergabe von Fremdwährungskrediten in Osteuropa nicht mehr wiederholen. Viele internationale Banken – insbesondere aus Österreich – haben in der Region im großen Stil Kredite in Euro vergeben.

Streit um Fremdwährungskredite

Weil im Zuge des Wirtschaftsabschwungs viele osteuropäische Währungen unter Druck geraten sind, haben Kreditnehmer nun Probleme mit der Rückzahlung. Die EU-Kommission prüft, ob derartige Fremdwährungsdarlehen, die in Euro aushaften, mit mehr Eigenkapital hinterlegt werden müssen. Die Regierungen in Polen und Ungarn wollen aber die Pläne zu Fall bringen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.08.2009)

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