Kommt die Trendwende beim Ölpreis?

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BohrinselAPA/AFP/ANDY BUCHANAN
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Erstmals seit sechs Monaten kostet ein Fass der Nordseesorte Brent wieder mehr als 50 Dollar. Die Fördermengen in den USA sind zuletzt gesunken. Hinzu kamen Produktionsausfälle in Kanada und Nigeria.

Wien. Das billige Öl hat etwas Gutes: Verbraucher mussten in den vergangenen beiden Jahren deutlich weniger an der Zapfsäule ausgeben. Von Mitte 2014 bis Anfang 2016 sanken die Rohölpreise von 100 auf 30 Dollar je Barrel (159 Liter). Die Österreicher hatten es dabei sogar noch besser als die Bürger aus anderen EU-Staaten. Sie tankten nämlich deutlich günstiger als diese. Inflationsbereinigt kostete Diesel sogar weniger als 1986.

Die Frage ist bloß, wie lang das noch so bleiben wird. Denn am Donnerstag ist der Preis für ein Fass der Nordseesorte Brent zum ersten Mal seit sechs Monaten wieder über die psychologisch wichtige Marke von 50 Dollar geklettert. Ein Hauptgrund für den jüngsten Preisanstieg ist in den USA zu suchen. Erstens kam es dort zu einem unerwartet starken Rückgang der Öl-Lagerbestände. Und zweitens: Die Fördermenge sinkt. In den USA erreichte sie Ende April den tiefsten Stand seit Herbst 2014.

Ein großer Teil der US-Produktion wird durch Fracking gewonnen. Die Technologie machten die USA zum größten Energieproduzenten. Doch Fracking gilt als relativ teuer und zahlt sich folglich nur bei höheren Preisen aus. Viele Unternehmen aus der Branche mussten ihre Produktion aufgrund des starken Preisverfalls aber auf Eis legen. Von knapp 2000 US-Bohrtürmen, die es noch Ende 2014 gegeben hat, sind bis Mitte März dieses Jahres lediglich 480 übrig geblieben.

Einige Experten argumentieren zudem, dass der jüngst erfolgte Preisanstieg unter anderem auch auf verheerende Waldbrände im Nachbarland Kanada zurückzuführen ist. Dort musste die Produktion teilweise gestoppt werden. Hinzu kommen Terroranschläge und Unruhen im Förderland Nigeria.

Opec-Einigung gescheitert

Gegen eine Erholung des Preises spricht auch die Förderpolitik der Organisation Erdöl exportierender Staaten (Opec). Denn das Kartell fährt seine Produktion immer weiter hoch. Zuletzt erreichte die Förderung sogar das höchste Niveau seit 2008. Die Wüstenstaaten hängen besonders stark von den Einnahmen aus Ölexporten ab und kompensieren mangels Alternativen die niedrigeren Preise durch Masse. Saudiarabien musste aufgrund des Preisverfalls zuletzt ein 90 Mrd. Euro großes Loch in seinem Staatshaushalt hinnehmen. Versuche des Kartells, sich zusammen mit Russland auf eine Förderbegrenzung zu einigen, sind im April gescheitert.

Aufgrund einer robusteren Nachfrage aus China, Indien und anderen Schwellenländern glaubt die Internationale Energieagentur jedoch, dass es zu einem schnelleren Abbau des weltweiten Überangebots an Rohöl kommen werde. Die Experten rechnen mit einer „dramatischen“ Schrumpfung des Überangebots. Ihrer Ansicht nach sollte sich die Lage auf dem Ölmarkt bis zum kommenden Jahr normalisieren – sofern es keinen größeren Konjunkturabschwung gibt. (ag./red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.05.2016)

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