Kein Börsencrash durch den Brexit

The day´s lowest level of the German DAX is seen on the index board at Frankfurt´s stock exchange
The day´s lowest level of the German DAX is seen on the index board at Frankfurt´s stock exchange(c) REUTERS (ALEX GRIMM)
  • Drucken

Die Strategen der Geldhäuser rechnen damit, dass die Notenbanken die Brexit-Folgen komfortabel abfedern.

Wie wird sich der Austritt Großbritanniens aus der EU auf die Anleger auswirken? In den ersten Tagen nach der Brexit-Volksabstimmung ist es auf den Märkten ja ordentlich rundgegangen, in der Zwischenzeit hat sich die Lage aber überraschend schnell beruhigt. Woran liegt das?

Die Finanzwirtschaft hat da so ihre Theorien – und bezweifelt mittlerweile, dass es überhaupt zu einem echten Brexit kommen wird. Beispielhaft dafür ist eine Analyse des Vermögensverwalters Pictet-Management, die vor zwei Tagen an Großanleger gegangen ist.

Darin weist Pictet-Chefstratege Luca Paolini auf zahlreiche Kommentare hin, in denen bezweifelt wird, ob Großbritannien den Artikel 50 des Lissabon Vertrags, der den Austritt aus der Union regelt, überhaupt „triggern“ wird. So wie es aussieht, werde die von innenpolitischen Brexit-Wirren durchgeschüttelte britische Regierung versuchen, den konkreten Austrittsschritt möglichst weit hinauszuschieben. Heuer dürfte es jedenfalls nicht mehr dazu kommen.

Dafür erwartet die Finanzbranche, dass die wohl erst im Herbst aktiv werdende neue britische Regierung versuchen wird, mit Unternehmenssteuersenkungen und der Vorziehung von Infrastrukturinvestitionprojekten die drohende Brexit-Rezession zu verhindern oder abzuschwächen. Schon vorher wird die britische Notenbank den Leitzins voraussichtlich um einen Viertel- bis einen halben Punkt senken.

Gleichzeitig werden auch die EZB und die Fed die geldpolitischen Zügel locker halten. Eine Rezession in Großbritannien würde ja weltwirtschaftliche Wellen schlagen. Und die Eurozone ist vom Brexit direkt betroffen. Der schon mehrfach weitergekickte nächste Zinsschritt in den USA dürfte damit auf nächstes oder übernächstes Jahr verschoben sein. Damit dürfte auch die Aufwertungsbewegung des Dollars (oder, wenn man so will, die Euroabwertung) vorerst einmal gestoppt sein.

Das sind für Anleger keine so schlechten Nachrichten. Die lockere Geldpolitik, so problematisch sie gesamtwirtschaftlich auch sein mag, hat ja schon bisher für viel Freude auf den Aktienmärkten gesorgt.

Dass der Brexit, wenn er überhaupt kommt, nicht die große Börsenkatastrophe ist, hat sich schon in den vergangenen Tagen gezeigt. Die Abstürze in den ersten Tagen nach der EU-Volksabstimmung sind (auch dank des britischen Zögerns, Artikel 50 zu „triggern“) schon weitgehend kompensiert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.07.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.