100 Jahre Boeing: Happy Birthday, Mutter aller Jumbos

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BRITAIN-AVIATION-SHOW-AEROSPACE-MANUFACTURING(c) APA/AFP/ADRIAN DENNIS
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Der weltgrößte Flugzeugproduzent Boeing steht im Jubiläumsjahr vor der wichtigen Entscheidung, ob er ein neues Modell bauen wird.

Wien/Seattle. Es ist die Geschichte vom amerikanischen Traum par excellence: William Boeing war zwar kein Tellerwäscher, aber der Spross der bitterarmen deutschen Einwandererfamilie Böing (die Nachfahren im Sauerland schreiben sich bis heute mit ö). Und er bastelte nicht in einer Garage, sondern in einem Bootshaus in Seattle. Dort baute der Holzfachmann ein Wasserflugzeug aus Holz, Leinen und Draht. Den Erstflug am 16. Juni 1916 steuerte er selbst. Nur einen Monat später, am 15. Juli, gründete er die Pacific Aero Products Company, seit 1917 in Boeing Aeroplane Company umbenannt.

Was aus Boeings 100.000 Dollar Startkapital geworden ist, ist bekannt: Boeing ist mit 96 Mrd. Dollar Umsatz und 165.000 Beschäftigten der weltgrößte Produzent von Zivilflugzeugen und die Nummer zwei der Rüstungsindustrie. Vor allem aber hat Boeing mit dem Modell 747 den Traum aller Markenartikler verwirklicht: Der Name Jumbo-Jet, mit dem der Flieger wegen seiner beeindruckenden Größe schon nach dem Erstflug 1969 bedacht wurde, wurde zum Synonym für Großraumflugzeuge.

Übrigens auch zum Leidwesen des europäischen Erzrivalen Airbus, der mit dem ebenfalls zweistöckigen A380 hoffte, die Monopolstellung der Amerikaner in der Jumbo-Klasse brechen zu können. Mitnichten: Ausgerechnet zum 100.Geburtstag von Boeing hat Airbus bekannt gegeben, die Produktion des A380 drastisch zu stutzen („Die Presse“ hat berichtet).

Erfolg erst nach Jahren

Schadenfreude ist freilich fehl am Platz. Boeing und auch Airbus, die als Duopol den milliardenschweren Markt für Passagierflugzeuge beherrschen und sich wegen Subventionen regelmäßige Gefechte vor der WTO liefern, wissen genau, wie heikel ihr Geschäft ist. Erst nach vielen Jahren stellt sich heraus, ob eine zündende Idee auch ein kaufmännischer Erfolg ist. Schließlich werden die Entwicklungskosten für ein neues Flugzeugmodell mit mindestens zehn Mrd. Dollar veranschlagt – da darf aber schon rein gar nichts schiefgehen.

Und so knallten in den vergangenen 100 Jahren auch beim US-Konzern nicht immer die Champagnerkorken. Begonnen hat alles vielversprechend: Die 1932 gebaute Boeing 247 war eines der ersten modernen Flugzeuge. Dennoch blieb dem Modell, das zehn Passagieren Platz bot, der wirtschaftliche Erfolg versagt. Das lag weniger an der Explosion einer Maschine – dem ersten Bombenanschlag in der zivilen Luftfahrt –, vielmehr an der Konkurrenz im eigenen Land: Douglas Aircraft baute ab 1934 technisch überlegenere Flugzeuge.

Ob die Übernahme des inzwischen mit McDonnell fusionierten Rivalen im Jahr 1997 ein „Racheakt“ war, sei dahingestellt. Jedenfalls war es ein Meilenstein in der Konzernentwicklung, denn die US-Konkurrenz in der zivilen Luftfahrt war ausgeschaltet. Zumal Lockheed, nach wie vor führend bei Kampfjets, die Produktion von Passagiermaschinen aufgab. Mit der Übernahme von McDonnell Douglas hoffte Boeing aber auch, dick im Rüstungsgeschäft mitmischen zu können. Der Konzern konnte seine im Zweiten Weltkrieg erlangte Vormachtstellung in der Bomberproduktion auch noch im Kalten Krieg halten. Der B-52 etwa ist noch heute im Einsatz.

In der jüngeren Militärgeschichte musste Boeing jedoch empfindliche Niederlagen einstecken: Der Auftrag für den neuen US-Kampfjet ging an Lockheed. Und 2015 erteilte das Verteidigungsministerium den Zuschlag für den Tarnkappenbomber B-21 an Northrop Grumman.

Im Zivilgeschäft lief es indes gut: Die 737- und die 777-Serie sowie der Jumbo sind echte Verkaufsschlager. Welche Probleme jedoch neue Materialien, Bauweisen und Konzepte mit sich bringen, zeigte sich beim Dreamliner787. Der zum Albtraum mutierte Jet sorgte mit technischen Problemen und entsprechenden Lieferverzögerungen für negative Schlagzeilen. Die Kosten sollen auf 32 Mrd. Dollar explodiert sein.

Kein neuer Jumbo-Jet

Boeing-Chef Dennis Muilenberg steht nun vor einer schwerwiegenden Entscheidung: Die bestehenden Modellserien 737 und 777 zu erweitern und zu modernisieren – oder ein ganz neues Flugzeug zu bauen. Ein zweites Desaster wie beim Dreamliner darf und kann er sich nicht leisten. Auch, wenn Boeing auf der Luftfahrtmesse in Farnborough quasi als Geburtstagsgeschenk Neuaufträge für 182 Flugzeuge im Wert von 27 Mrd. Dollar erhalten hat. Fix ist nur eines: Einen neuen Jumbo-Jet wird es nicht geben.

AUF EINEN BLICK

Der US-Flugzeugproduzent Boeing ist heute 100 Jahre alt. Vom deutschen Auswanderer William Boeing am 15. Juli 1916 gegründet, macht der Rivale von Airbus heutzutage mit Passagier- und Militärflugzeugen sowie Rüstungstechnik 96 Mrd. Dollar Umsatz. Meilensteine in der Entwicklung sind der Jumbo-Jet 747, der wie die 737- und die 777-Modelle ein Verkaufsschlager wurde. Große Probleme hatte Boeing indes mit dem Dreamliner 787.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.07.2016)

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