Ukraine: Geldgeber werden ungeduldig

(c) EPA (Horacio Villalobos)
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Das Land ist wegen der Krise auf internationale Unterstützung angewiesen. Den Kreditgebern aber geht die Umsetzung der geforderten Reformen nicht schnell genug.

Kiew. Die Ukraine ist gerade volljährig geworden. Im August zelebrierte die ehemalige Sowjetrepublik ihren 18. Unabhängigkeitstag. Doch in dem seit 1991 freien Land gab es dieses Mal wenig zu feiern. Zu sehr wird die junge Demokratie von den Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrise gebeutelt.

Ende letzten Jahres konnte ein drohender Staatsbankrott nur durch einen Kredit des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Höhe von 16,4 Mrd. US-Dollar (11,50 Mrd. Euro) abgewendet werden. Seit dem vergangenen November hat der IWF bereits 10,6 Mrd. Dollar an das Land überwiesen. Anfang September sollten nun weitere 1,1 Mrd. Dollar folgen. Doch in Washington wird man langsam ungeduldig.

„Die Regierung der Ukraine muss zu massiven Einsparungen greifen, wenn sie mit weiteren IWF-Krediten rechnen will“, erklärte Max Allier, Leiter der IWF-Vertretung in Kiew, einem ukrainischen Wirtschaftsmagazin.

Der IWF verlangt eine Kürzung der Staatsausgaben, ein Budgetdefizit unter vier Prozent sowie die Restrukturierung des Bankensektors. Andernfalls könnte der Fonds die Zusammenarbeit mit dem Land aussetzen, meinte Allier.

Andere Geldgeber haben die Geduld mit Kiew längst verloren. Vor wenigen Tagen hat die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE) einen 800-Mio.-US-Dollar-Kredit für das staatliche Eisenbahnunternehmen auf Eis gelegt, weil die dringend notwendigen Reformen nicht umgesetzt werden.

Bankensektor in Schieflage

Eine andere Strategie verfolgen die Weltbank und ihre Entwicklungsorganisation International Finance Corporation (IFC): „Wir müssen sehen, dass die Ukraine sich von der Weltwirtschaftskrise so schnell wie möglich erholt“, sagte IFC-Präsident Lars Thunell vor einigen Tagen auf einer Pressekonferenz in Kiew.

Deshalb werde die IFC den Etat für die Ukraine im Jahr 2010 von 200 Mio. Dollar auf 500 Mio. Dollar erhöhen. Die Mittel sind vor allem für den Bank- und den Agrarsektor sowie für diverse Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz gedacht.

Der Bankensektor des 42 Millionen Einwohner zählenden Landes ist durch die Krise in eine bedrohliche Schieflage geraten. Das sieht auch Regierungschefin Julia Timoschenko: „Unser Bankensystem ist derzeit ohne Unterstützung von außen nicht voll funktionsfähig“, sagte sie.

Um nach der Krise wieder auf die Beine zu kommen, „muss sich der private Sektor wieder gleichmäßig mit Krediten versorgen können. Dazu ist die internationale Hilfe unverzichtbar.“

Seit Jahresbeginn wurden zwölf Kreditinstitute geschlossen. Vier Banken befinden sich derzeit unter staatlicher Kontrolle, von den zehn Mrd. Euro des IWF ist ein großer Teil in die Stützung der Banken geflossen.

Doch der Verfall der Landeswährung konnte dadurch bisher nicht gestoppt werden. Im Laufe der vergangenen zwölf Monate wurde das Gesamtvolumen an Staatsanleihen von acht Mrd. Griwna (670 Mio. Euro) auf 70 Mrd. Griwna erhöht. Die Währung hat innerhalb eines Jahres fast 75 Prozent ihres Wertes verloren.

Angriff auf die Landeswährung

Daraus versucht nun offenbar die eine oder andere Bank Profit zu schlagen. Die Ukraine könne sich bis Jahresende auf eine Währungsattacke gefasst machen, wie die „Financial Times Deutschland“ in Berufung auf Marktbeobachter schreibt. Die Zentralbank geht seit Monaten gegen die Abwertung der Landeswährung vor, indem sie Devisen verkauft und so den Kurs künstlich stabil hält.

Durch die Interventionen seien die Devisenreserven der Notenbank im August um 2,6 Prozent im Vergleich zum Vormonat gefallen. Die Strategie der Zentralbank schaffe so Anreize für die Finanzinstitute, gegen die Griwna zu spekulieren. Die Gefahr eines weiteren Wertverlusts der Griwna durch einen groß angelegten Angriff auf die Währung sei daher sehr hoch, zitiert die „FTD“ Analysten.

Neuer Gasstreit droht

Jüngste Zwistigkeiten zwischen der Ukraine und Russland zum Thema Gas lassen unterdessen an einen neuen Gasstreit denken. Die ukrainische Premierministerin Julia Timoschenko bekräftigte am Montag ihre Ankündigung von vergangener Woche, die Gebühren für den Transit russischen Erdgases nach Europa 2010 anheben zu wollen.

Das sorgt für Ärger bei den Russen: Präsident Dmitrij Medwedjew forderte Gazprom-Chef Alexej Miller auf, eine Erhöhung der Transitgebühren durch die Ukraine nicht zu akzeptieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.09.2009)

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