Nationalbank-Gouverneur Nowotny: Kein EU-Beitritt der Türkei

President of the Austrian National Bank and ECB member Nowotny attends a news conference in Vienna
President of the Austrian National Bank and ECB member Nowotny attends a news conference in Vienna(c) REUTERS (LEONHARD FOEGER)
  • Drucken

Wie Bundeskanzler Kern äußerte sich der Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank, Ewald Nowotny, zu einer EU-Mitgliedschaft der Türkei äußerst kritisch.

Alpbach. Ginge es allein nach Österreich, dann fände die Türkei so schnell keinen Weg in die EU. Mit Ewald Nowotny, Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB), gibt es nun eine weitere gewichtige Stimme gegen den EU-Beitritt der Türken. „Eine Mitgliedschaft ist langfristig nicht realistisch“, sagte Nowotny am Freitag auf einer Pressekonferenz im Rahmen des Europäischen Forum Alpbach. Nowotny findet es deshalb problematisch, „ergebnisoffen zu verhandeln“, wie es derzeit die Linie der EU-Kommission sei. Das erzeuge Unsicherheit. „Eine Vollmitgliedschaft ist unrealistisch“, so Nowotny.

Anfang August hatte Bundeskanzler Christian Kern die Beitrittsverhandlungen als „Fiktion“ bezeichnet. Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) fordert einen Abbruch der Beitrittsverhandlungen, wie auch Vizekanzler und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) die Türkei für „nicht EU-beitrittsfähig“ hält.

Mit dieser Position macht sich die Bundesregierung nicht nur Freunde. Zwischen Österreich und der Türkei brach ein diplomatischer Kleinkrieg los, nachdem Kern dem Land am Bosporus das Zeug zum Beitrittskandidaten abgesprochen hatte.

Wertediskussion verfehlt

Laut Nationalbank-Gouverneur Ewald Nowotny beschränke sich die öffentliche Debatte über einen Türkei-Beitritt zu sehr auf eine Wertediskussion. Die Europäische Union sei aber nicht nur eine Wertegemeinschaft, sondern auch und historisch sogar primär, eine Wirtschaftsgemeinschaft. Das werde häufig vergessen. Das Bekenntnis zu den europäischen Werten sei deshalb eine „notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für einen EU-Beitritt“. Auch Bundeskanzler Kern hatte seine Ablehnung eines Beitritts vor allem mit „wirtschaftlichen Disparitäten“ begründet.

Die Türkei sei für Europa zwar ein wichtiger Wirtschaftspartner, man dürfe das Land aber auch nicht überschätzen. Im Vorjahr gingen 4,4 Prozent der EU-Exporte in die Türkei, 3,2 Prozent der EU-Importe kamen aus der Türkei. Das Außenhandelsvolumen Österreichs mit der Türkei betrug zuletzt rund ein Prozent, so die Zahlen der Oesterreichischen Nationalbank.

Nationalbankgouverneur Nowotny räumte am Freitag ein, dass es zwar eine „lange Geschichte der Kontakte“ der EU mit der Türkei gebe. Im Jahr 1987 hatte sich das Land erstmals um eine Mitgliedschaft in der – damals noch – Zollunion beworben. Bisher sei allerdings jede Verhandlungsstufe primär außenpolitisch motiviert gewesen. Wenn es um Integrationsfragen gehe, sei aber „Außenpolitik ohne wirtschaftliche Grundlagen eine sehr gefährliche Angelegenheit“, so Nowotny.

„Doppelspiel ist gefährlich“

Es gebe in Bezug auf die Beitrittsverhandlungen „grundlegende Probleme der Ungleichgewichte und Größenordnungen“. Wenn die wirtschaftlichen Voraussetzungen zu ungleich seien, könne eine Wirtschaftsgemeinschaft aber nicht funktionieren. Dann komme es zu problematischen Wanderbewegungen, und es würden Transferzahlungen in einem Ausmaß nötig, das nicht zu bewältigen sei. Der Anteil der Türkei, gemessen am Bruttoinlandsprodukt der EU, betrage nur 4,4 Prozent, gemessen an der Bevölkerung aber 15,4 Prozent, so Nowotny.

Nowotny kritisierte die Haltung der EU-Spitze gegenüber der Türkei deutlich. Es sei keineswegs zielführend, der Türkei einerseits Hoffnungen auf einen Beitritt zu machen und andererseits gegenüber der EU-Bevölkerung zu sagen, der Beitritt werde sowieso nicht kommen. „So ein Doppelspiel ist immer gefährlich“, sagte Nowotny. Als Alternative schlug er eine spezielle Vereinbarung mit der Türkei als wichtigem Wirtschaftspartner vor. „Gute wirtschaftliche Beziehungen müssen nicht mit Mitgliedschaft zusammenhängen“, ist der OeNB-Gouverneur überzeugt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.09.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.