Der "Double Irish" wird schlecht

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Mit raffinierten Konstruktionen in Irland rechnen US-Firmen ihre Gewinne klein und bunkern das Geld. Jetzt wollen die EU und die USA einen Anteil an diesen zwei Billionen Dollar.

Tim Cook gilt als besonnener, ruhiger und umgänglicher Mensch. Aber nichts kann einem den Tag so verderben wie eine Steuernachforderung in Höhe von 13 Milliarden Euro. „Politischer Mist“ („political crap“) seien die Vorwürfe, mit denen man Apple Steuertricksereien unterstelle, meinte Cook in einem Interview. Tatsächlich habe man 2014 etwa 400 Millionen Dollar an Steuern bezahlt. „Wir haben in dem Jahr in Irland von allen Firmen die meisten Steuern bezahlt“, sagte ein empörter Cook. Jeder Lohnbezieher würde für so eine Steuerrate viel geben: Denn 400 Millionen Dollar sind etwas mehr als zwei Prozent Steuern vom Gewinn, den Apple in dem Jahr gemacht hat (18 Milliarden Dollar).

Wenn das US-Technologieunternehmen damit die meisten Steuern in Irland bezahlt hat, kann man sich vorstellen, wie raffiniert erst die Steuererklärungen anderer Giganten wie Amazon, Google, Microsoft, Facebook oder Starbucks sind, die sich ebenfalls durch Milliardengewinne auszeichnen (Google schaffte es beispielsweise im Jahr 2013, bei einem Gewinn von fast 13 Milliarden Dollar nur eine Körperschaftsteuer in Höhe von 31 Millionen Dollar zu bezahlen). Aber seit die EU vergangene Woche eine Steuernachforderung für Apple in Höhe von 13 Milliarden Euro veröffentlicht hat, müssen sie alle zittern: Die EU-Kommission könne auch die Steuerarrangements anderer Unternehmen mit Irland unter die Lupe nehmen, drohte EU-Wettbewerbskommissarin Margarethe Vestager Ende vergangener Woche recht unverhohlen. Der „Double Irish“, meist angereichert mit einem „Dutch Sandwich“ (so nennt sich der bekannteste Steuertrick), wird langsam schlecht. Irland hat als eines der letzten Steuerparadiese ausgedient – lang bevor die Steuersätze 2020 endgültig abgeschafft werden (müssen).

Grund für die großzügigen Regelungen waren die Finanzprobleme, mit denen die Insel über Jahre zu kämpfen hatte. Um Unternehmen (und damit Steuerzahler) nach Irland zu bringen, senkte die Regierung den Unternehmenssteuersatz auf 12,5 Prozent. Weniger, als viele andere Staaten verlangen (zum Vergleich: In Österreich beträgt die Körperschaftssteuer 25 Prozent, in den USA 35 Prozent). Doch selbst dieser geringe Steuersatz findet kaum Anwendung. Entscheidend ist nämlich die Steuerpraxis – und da hat der Fiskus alle Augen zugedrückt, wenn die Unternehmen mit ausgeklügelten Konstruktionen ihre Gewinne kleingerechnet haben. Und davon gibt es viele, die bekannteste ist der „Double Irish with a Dutch Sandwich“.


„Double Irish with a Dutch Sandwich.“ Die Konstruktion ist völlig legal und funktioniert stark vereinfacht so: Eine Firma gründet zwei Töchter in Irland, die eine verwaltet Lizenzgebühren, der anderen gehören die Lizenzen. Die Höhe der Lizenzen orientiert sich am Gewinn. Weil Irland mit den Niederlanden ein Abkommen hat, das Lizenzgebühren von Steuern ausnimmt, gehen die Gebühren für die Lizenzen an die Niederlande, von dort zurück an die zweite Firma in Irland und dann auf die Bermudas – und am Ende fallen fast keine Steuern an.

Apple hat so, laut EU, seinen Steuersatz auf 0,005 Prozent kleingerechnet. Neben Irland haben auch andere europäische Länder umsatzstarke Firmen mit kreativen Steuerlösungen angelockt, allen voran Luxemburg und dessen damaliger Finanzminister, späterer Premierminister und jetziger EU-Kommissionspräsident, Jean-Claude Juncker. Er erklärte zwar vergangenes Jahr öffentlich, „kein System der Steuerhinterziehung, der Steuerhintertreibung oder der Steuervermeidung“ zulasten anderer europäischer Staaten in seiner Zeit als Finanz- bzw. Premierminister erfunden zu haben. Aber Luxemburgs Finanz war großzügig und ließ Firmen beispielsweise reine Buchverluste – etwa durch Wertminderungen einer Tochtergesellschaft – nutzen, um ihre Körperschaftsteuer zu drücken. In den allermeisten anderen Ländern muss der Verlust erst durch einen Verkauf realisiert werden, bevor er steuerwirksam wird.

Gerade US-amerikanische Firmen nützen die großzügigen Gesetze, um ihre Gewinne kleinzurechnen und um auch den hohen Steuersätzen in den USA zu entkommen. General Electric schaffte es beispielsweise 2010 bei einem weltweiten Gewinn von 14,2 Milliarden Dollar, in den USA genau null Dollar an Steuern zahlen zu müssen. Laut einer Untersuchung des US-Kongresses bezahlten die Amerikaner im Jahr 2012 etwa 1,9 Billionen Dollar an Einkommensteuern. Von Firmen kassierte der Staat in dem Jahr dagegen nur 242 Milliarden Dollar an Körperschaftsteuer.

Die Folge sind enorm hohe Gewinnrücklagen der Firmen außerhalb der USA. Laut Kongress, der die Steuerdeals seit einigen Jahren – aus reinem Eigeninteresse – intensiv untersucht, lagern Firmen wie Apple, Microsoft, Google, Amazon, Oracle, Starbucks usw. weltweit insgesamt zwei Billionen Dollar. Allein Apple hat Bargeldreserven von 216 Milliarden Dollar (davon liegen 100 Milliarden Dollar in Irland).

Um dieses Geld ist nun ein Wettlauf der Staaten ausgebrochen. Daher auch die empörte Reaktion der USA auf die milliardenhohe Steuernachforderung der EU. Denn damit schmälert sich der mögliche Steuerertrag in den USA, wo man über eine Steueramnestie für Firmen berät, wenn sie ihr Geld in die Vereinigten Staaten transferieren. Schon einmal gewährte man Unternehmen einen sogenannten „tax holiday“: 2004 mussten sie lediglich 5,25 Prozent Steuern (statt der üblichen 35 Prozent) auf jene Gewinne bezahlen, die sie vom Ausland in die USA holten. Damals flossen 312 Milliarden Dollar in die Vereinigten Staaten.

Genau diese Steueramnestie vor zwölf Jahren machen US-Experten dafür verantwortlich, dass die Firmen ihr Geld im Ausland bunkern: Weil sie eben auf eine neue Amnestie mit niedrigen Steuersätzen hoffen – wenn ihnen nicht jetzt die EU mit ihren Steuernachforderungen dazwischenkommt.

Fakten

Google schaffte es im Jahr 2013 bei einem Gewinn von fast 13 Milliarden Dollar nur eine Körperschaftssteuer in Höhe von 31 Millionen Dollar zu bezahlen.

Apple hat laut EU seinen Steuersatz auf Gewinne im Jahr 2014 dank raffinierter Konstruktionen auf 0,005 Prozent kleingerechnet.

General Electric schaffte es 2010 bei einem weltweiten Gewinn von 14,2 Milliarden Dollar in den USA genau null Dollar an Steuern zahlen zu müssen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.09.2016)

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