Brüssel verklagt Deutschland wegen Pkw-Maut

THEMENBILD: GEPLANTE EINFUeHRUNG EINER PKW-MAUT AUF DEUTSCHEN STRASSEN
THEMENBILD: GEPLANTE EINFUeHRUNG EINER PKW-MAUT AUF DEUTSCHEN STRASSENAPA
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Die Abgabe stelle eine Diskriminierung ausländischer Autofahrer dar. Die EU-Kommission werde vor den Europäischen Gerichtshof ziehen.

Brüssel/Berlin. Was für Österreichs Verkehrsministerium von vornherein festgestanden ist, wurde am gestrigen Donnerstag Realität: Die EU-Kommission verklagt Deutschland wegen der Pkw-Maut vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH). Die geplante Gebühr stellt nach Ansicht der Brüsseler Behörde eine Diskriminierung ausländischer Autofahrer dar.
Die EU-Kommission hat in zwei Bereichen ernsthafte Bedenken angemeldet. Zum einen gilt die Pkw-Maut zwar generell für alle Fahrer auf Deutschlands Straßen. Autos, die in der Bundesrepublik angemeldet sind, erhalten die Kosten der Mautvignette allerdings über den Umweg der Kfz-Steuer refundiert – und zwar auf Punkt und Komma. Das sei eine „De-facto-Gebührenbefreiung“ für deutsche Bürger, heißt es in der Stellungnahme der Brüsseler Behörde.
Kritikpunkt Nummer zwei: Vignetten mit kürzerer Geltungsdauer, die für ausländische Fahrer gedacht sind, sind nach Ansicht der Kommission im Vergleich zur Jahresvignette unverhältnismäßig teuer. „Obwohl die deutschen Behörden seit November 2014 zahlreiche Änderungen an dem Gesetz vorgenommen haben, wurden die grundsätzlichen Bedenken der Kommission nicht zerstreut.“

Wunschkind der CSU

Seit die „Infrastrukturabgabe“ im Juni 2015 von der deutschen Regierung beschlossen wurde, drängt die Brüsseler Behörde offiziell auf eine Änderung. Auf informeller Ebene laufen die Gespräche aber bereits seit 2013, als die Einführung der Pkw-Maut für Ausländer politisch angekündigt wurde. Die auch in deutschen Regierungskreisen umstrittene Maßnahme geht auf das Konto der CSU, der bayerischen Schwesterpartei von Angela Merkels CDU. Die CSU kritisierte immer wieder, dass es im benachbarten Österreich hinsichtlich der Pkw-Maut keine Ausnahmen für Bayern gebe, insofern ist die deutsche Vignette als Retourkutsche zu verstehen – umso mehr, als die Koalitionsparteien in Berlin vereinbart hatten, deutsche Autofahrer dürften finanziell nicht belastet werden.
Nachdem das Vorhaben auch in Berlin umstritten ist – der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags hat die „Infrastrukturabgabe“ für EU-rechtswidrig befunden –, wurde das bereits beschlossene Gesetz zunächst auf Eis gelegt. In Wien war gestern jedenfalls Genugtuung angesagt. „Eine Diskriminierung von Bürgern anderer EU-Staaten darf es nicht geben. Ich freue mich, dass die EU-Kommission jetzt die notwendigen Maßnahmen ergreift, um das zu verhindern“, sagte Verkehrsminister Jörg Leichtfried (SPÖ).
Sein deutscher Kollege, der CSU-Politiker Alexander Dobrindt, zeigte sich dagegen optimistisch, dass die deutsche Maut vor Gericht Bestand haben werde. „Die Infrastrukturabgabe ist europarechtskonform, das wird der Europäische Gerichtshof bestätigen.“ Allerdings dürfte auch die EU-Kommission siegessicher sein, sonst würde sie wohl nicht den EuGH anrufen.

Deutschland erwarte jetzt „ein zügiges Verfahren, damit die Infrastrukturabgabe anschließend umgesetzt werden kann“, sagte Dobrindt. Gleichzeitig begrüßte er, dass Bewegung in die Sache komme. Brüssel habe das Verfahren schon viel zu lang verzögert. Der Minister will – im Auftrag der CSU – eine „Gerechtigkeitslücke“ schließen und ausländische Autofahrer für die Straßennutzung in Deutschland zur Kasse bitten. In den Nachbarstaaten müssten deutsche Urlauber auch Maut bezahlen, argumentiert er. Seine Kritiker überzeugt das nicht: Deutschland brauche keine Vignettenpflicht, die nichts einbringe, hoch bürokratisch und europarechtswidrig sei – und außerdem keine ökologische Lenkungswirkung habe, meint etwa der Vizefraktionschef der Grünen, Oliver Krischer.
Geben die Richter der EU-Kommission recht, könnten sie eine Geldstrafe gegen Deutschland verhängen. Setzt sich Deutschland durch, will Dobrindt die Maut möglichst schnell umsetzen.

(APA/dpa)

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