Die Angst vor einem „harten“ Austritt der Briten aus der Eurozone schwächt die Währung des Landes. Die Börsianer freut es.
London. Der Schock über das Ergebnis des Brexit-Referendums schien an den Finanzmärkten schon fast verdaut. Doch nun treiben Aussagen von Theresa May die Marktteilnehmer um. Die Premierministerin kündigte den formalen Austritt aus der EU bis spätestens Ende März des kommenden Jahres an. Dies nährt die Befürchtungen vor einer „harten“ Variante des Brexit.
Mit einem sogenannten Great Repeal Bill (Großes Abschaffungsgesetz) will May, dass die „Herrschaft des EU-Rechts über Großbritannien ein Ende“ nimmt. Und: „Wir verlassen die EU nicht, um noch einmal die Kontrolle über die Einwanderung abzugeben.“
Mit dieser Haltung dürften die Verhandlungen mit der EU schwierig werden, meint Esther Reichelt, Devisenmarktexpertin bei der Commerzbank. Denn bisher sehe niemand einen Weg, wie May ihre Ziele erreichen könne, ohne deutliche Einbußen beim Zugang zum gemeinsamen Binnenmarkt hinzunehmen. „Solange sich in dieser Frage keine gütliche Einigung abzeichnet, bleibt das Pfund deshalb unter Druck.“
Das britische Pfund notierte am Dienstag noch schwächer als unmittelbar nach dem Brexit-Votum im Juni und erreichte zu Wochenbeginn gegenüber dem Dollar den tiefsten Stand seit 1985 (siehe Chart). Zum Euro fiel die Währung auf ein Mehrjahrestief. Der britische Aktienmarkt zeigte indes eine gegenläufige Tendenz.
Börse in London legt zu
Den britischen Unternehmen hilft eine geschwächte Währung, weil sie ihre Waren im Ausland billiger anbieten können. Zudem besteht die Möglichkeit, an Wettbewerbsfähigkeit zu gewinnen. Die Börse in London legte demnach um knapp zwei Prozent zu, der Leitindex FTSE kletterte erstmals seit 16 Monaten wieder über die Markte von 7000 Punkten. Nach dem Votum der Briten im Juni brach der Aktienmarkt des Landes um rund sechs Prozent ein. Es dauerte aber nicht lange, bis das Abstimmungsergebnis der Briten wieder in Vergessenheit geriet. Denn seither legte die Börse in London um rund 20 Prozent zu. Auch auf Eurobasis war die Entwicklung nicht so schlecht. Das Kursplus lag bei rund 14 Prozent.
Ein schwaches Pfund macht britische Aktien aus Sicht des Auslands erschwinglicher. Positiv dürften an den Börsen zudem Signale von Finanzminister Philip Hammond aufgenommen worden sein, der zu Wochenbeginn ankündigte, die Staatsausgaben zu erhöhen, um die Wirtschaft zu stützen. (ag./red.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.10.2016)