Ein Brotaufstrich als Brexit-Opfer

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Weil das Pfund gefallen ist, will der niederländisch-britische Konsumgüterriese Unilever seine Produkte verteuern. Tesco warf einige aus dem Onlineshop.

London/Rotterdam. Der Brexit wirft seine Schatten voraus. Und auch wenn auf politischer Seite betont wird, den Abschied Großbritanniens von der Europäischen Union möglichst schmerzfrei zu gestalten, so zeigt sich auf wirtschaftlicher Ebene bereits, dass er im wahrsten Sinn des Wortes seinen Preis hat und Opfer fordert.

Aktuell geht es um Dutzende Produkte des niederländisch-britischen Konsumgüterriesen Unilever, darunter den bei Briten beliebten Brotaufstrich Marmite. Die führende britische Handelskette Tesco hat diese Produkte kurzerhand aus dem Sortiment ihres Onlineshops geworfen und damit die Briten in Aufruhr versetzt. Hintergrund der Aktion: Weil der Pfund-Kurs aufgrund der Furcht auf dem Devisenmarkt vor dem Brexit stark gefallen ist, fordert Unilever von Tesco und anderen britischen Händlern Preisaufschläge, um Erlöseinbußen zu vermeiden.

Mit der Überschrift „Marmite-Krieg“ befasste sich die Tageszeitung „Metro“ auf der ersten Seite mit dem Problem. Auch bei der „Times“ landete der Marmite-Mangel auf der Titelseite, der TV-Sender BBC berichtete in den Fernsehnachrichten darüber.

Abwertung als zweischneidiges Schwert

Die seit mehr als einem Jahrhundert in Großbritannien verzehrte Paste wird aus Hefe hergestellt, die zum Bierbrauen benutzt wurde. Der Werbespruch lautet „Liebe es oder hasse es“. Die Briten schmieren sich Marmite meist auf Toast, nach Herstellerangaben kann die Creme aber zum Beispiel auch für das Würzen von Zwiebelsuppe oder Bolognesesauce verwendet werden.

Die Abwertung des Pfunds ist ein zweischneidiges Schwert. Zwar könnten britische Exporteure davon stark profitieren. Weil das Land aber deutlich mehr Güter importiert als exportiert, ist der Wohlstand der Inselbewohner gefährdet. Ohnehin ist das Leistungsbilanzdefizit, also das Ungleichgewicht zwischen Import und Export, zugunsten des Imports so groß wie kaum wo. Die Preiserhöhung durch Lieferanten wie Unilever würden das Leben der Briten zusätzlich verteuern.

Unilever-Finanzchef Graeme Pitkethly bezeichnete von Wechselkursen getriebene Preiserhöhungen als ganz normal. Ohnehin seien sie „deutlich niedriger“ als eigentlich notwendig wäre, um die eigenen Einbußen durch das schwache Pfund voll auszugleichen. Medienberichten zufolge betrage die Preiserhöhung zehn Prozent. Gegenüber dem Euro ist das Pfund seit dem Referendum am 23. Juli um knapp 17 Prozent gefallen, seit dem Sommer 2015 sind es unter dem Strich minus 30 Prozent. Damit ist es weniger wert als während der Finanzkrise 2008. Tendenz weiter fallend. Auch ohne Preiserhöhungen seitens ausländischer Lieferanten befindet sich die britische Handelsbranche in einem erbitterten Preiskampf. Bei Unilever führten Preiserhöhungen dazu, dass der Umsatz im dritten Quartal um 3,2 Prozent anstieg. (ag./est)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.10.2016)

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