Die Bank der Zukunft ist keine Bank mehr

Valentin Stalf
Valentin Stalf (c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Fintechs wie N26 machen bereits heute den etablierten Instituten Konkurrenz. Ihre Vision ist jedoch gar nicht, dereinst Konto, Kredit und Anlage selbst anzubieten. Das Ziel ist vielmehr, eine Plattform für andere Anbieter zu werden.

Was passiert, wenn Apple, Facebook oder Amazon in großem Stil ins Bankgeschäft einsteigen? Diese Frage wird auch unter österreichischen Bankern regelmäßig gestellt. Doch es braucht gar nicht die US-Konzerne aus dem Silicon Valley, damit den etablierten heimischen Instituten eine ernsthafte Konkurrenz erwächst. Auch in Europa stehen Hunderte Fintechs – also Start-ups, die sich mit Finanzen und Banking beschäftigen – in den Startlöchern. Oder sind sogar schon losgesprintet.

Eines davon ist N26 (vormals Number 26). Das in Berlin beheimatete und vom Österreicher Valentin Stalf mitgegründete Unternehmen bietet seit Anfang 2015 ein Gratis-Konto für jedermann an. Inkludiert ist dabei eine kostenlose Kreditkarte, mit der bei allen Kreditkarten-fähigen Bankomaten weltweit kostenlos Geld behoben werden kann. Ein Angebot, das inzwischen bereits 200.000 Kunden angenommen haben. Der Großteil davon sogenannte Millennials – also 18- bis 35-Jährige. Diese haben auch am wenigsten Hemmungen, ihre Geldgeschäfte einem Start-up anzuvertrauen. Denn das N26-Konto ist nur online – am besten per Smartphone-App – abrufbar. Filialen gibt es keine.

„Kredite bieten andere besser an“

„Unser Geschäftsmodell ist im Grunde nicht anders als bei etablierten Banken“, sagt Stalf. Finanziert wird das Gratisangebot nämlich einerseits durch die Kontoüberziehungszinsen. Andererseits durch Kommissionen, die langfristig von anderen Start-ups, die ihre Dienste auf N26 anbieten wollen, gezahlt werden. „Der Wert unseres Unternehmens ist die positive Nutzungserfahrung für den Kunden. Kredit- oder Anlageprodukte können andere Firmen besser anbieten.“ Die Vision von N26 ist somit nicht, eine Bank zu werden, die alle klassischen Angebote selbst erstellt, sondern eine Art Plattform für verschiedenste Fintechs zu werden.

N26 ist zuletzt zwar rasant gewachsen und hat nach zwei Jahren bereits 160 Mitarbeiter. Dennoch sind die Kosten im Verhältnis zu etablierten Banken nach wie vor wesentlich geringer, weshalb man es sich leisten kann, Services wie das Abheben beim Bankomaten (das Kosten zwischen 50 Cent und 1,50 Euro verursacht) gratis anzubieten. Allerdings musste auch N26 bereits die Erfahrung machen, dass Gratisangebote zum Teil sehr kreativ genutzt werden. So wurden im Sommer etwa 400 Kunden gekündigt, weil sie ihr Konto missbräuchlich verwendet haben. „Manche haben 30-mal pro Monat bei Bankomaten abgehoben“, so Stalf. Deshalb gebe es für deutsche Kunden nun eine Fair-use-policy, wonach nur mehr fünf Abhebungen im Monat gratis sind.

Dass N26 mit dieser Idee nicht allein ist, zeigt das Beispiel von Deloitte Südafrika. Die Unternehmensberatung erhielt von einer internationalen Großbank den Auftrag, eine Bank vollständig neu zu erschaffen. „Es ging nicht darum, die Kosten um 15 Prozent zu senken, sondern darum, ganz von vorne neu zu starten“, so Projektleiter Ben Davis. Ziel war, Bankgeschäfte so günstig wie möglich zu machen. Denn der angepeilte Markt für die neue Online-Bank sind die Länder im Sub-Sahara-Afrika. Und da die Menschen dort wenig Geld hätten, könne man ihnen weder Kredite verkaufen noch Überziehungsrahmen einräumen.

Die von Deloitte erstellte Bank hat daher nicht nur keine Filialen, auch die IT-Infrastruktur ist komplett ausgelagert. „Die Daten sind in der Cloud – bei Amazon und Google“, sagt Davis. Das senke die Kosten und bringe den Kunden sogar mehr Sicherheit, da die US-Konzerne die sichersten Datencenter der Welt haben. „Die Kosten für die Bank liegen nun bei weniger als fünf Euro pro Kunde und Jahr“, sagt Davis. Um bei der Bank ein Konto zu eröffnen, sei nicht einmal das Herunterladen einer App notwendig. Dies und die Durchführung von Überweisungen könnte via Chat-Programmen wie WhatsApp durchgeführt werden. Das Geschäftsmodell liegt hierbei einerseits darin, die Transaktionsgebühren zu senken und dafür von Händlern und Unternehmen einen Teil der Ersparnis zu erhalten. Außerdem wolle man ebenfalls schlussendlich zu einer Plattform für andere Fintechs werden. So ist etwa eine Kooperation mit einer anderen Firma geplant, bei der Kredite peer-to-peer – also etwa von Privaten an andere Private – vergeben werden. Derzeit sei für die Bank, die in den kommenden Monaten starten soll, nur Afrika das Ziel. „Die Erkenntnisse aus solchen Modellen werden aber sicher auch nach Europa oder in die USA zurückfließen“, sagt Davis.

Klassische Banken lassen aber auch abseits von modernen Online-Konten die Chancen der Digitalisierung liegen, sagt Benoit Chatelard vom japanischen Konzern Ricoh, der sich mit Business-Kommunikation beschäftigt. Sie würden viele vorhandene Daten einfach nicht nutzen, anstatt diese zu verknüpfen und so ihre Kunden mit spezifischen und für diese relevanten Angeboten anzusprechen. „Eine Bank braucht nicht mehr im direkten Kontakt mit ihren Kunden zu sein, um diese zu kennen“, so Chatelard. Sie habe alle notwendigen Daten. Das dafür notwendige Data Mining könne nach Segmenten (Alter, Geografie) erfolgen, um den Datenschutz weiterhin zu gewährleisten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.10.2016)

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