Finanzmärkte: Staatsanleihen geraten unter Druck

BRITAIN-POLITICS-EU
BRITAIN-POLITICS-EU(c) APA/AFP/DANIEL LEAL-OLIVAS
  • Drucken

Anleiheinvestoren in den USA und Großbritannien fürchten eine unerwartet kräftige Inflation. Die Bondkurse in Europa sinken auf den tiefsten Stand seit dem Brexit-Votum.

Wien. Wer in festverzinsliche Wertpapiere investiert, reagiert auf eine Art von Nachrichten besonders nervös: dass die Teuerung höher ausfallen könnte als erwartet. Denn dann sind die fixierten Zahlungen aus seinem Investment weniger wert. Die Anleger werfen Papiere auf den Markt, ihre Kurse sinken. So geschehen am Montag: Die Preise für zehnjährige Staatsanleihen aus den USA, Großbritannien und Deutschland brachen auf den tiefsten Stand seit Juni ein. Wobei die Auslöser unterschiedlich waren, und auch Konfusion über unsichere Aussichten eine Rolle spielt.

Inflation durch Pfund-Verfall

Die britischen „Gilts“ hatten sich nach dem Brexit-Votum Ende Juni rasch und gut erholt. Nicht so die Währung: Der Pfund hat seitdem zum Dollar 18 Prozent verloren, zum Euro 16 Prozent. Aktuell liegt er nahe einem 31-Jahres-Tief. Nun mehren sich die Sorgen, dass durch verteuerte Waren aus dem Ausland Inflation importiert werden könnte. Gegen diese Gefahr fordern die Investoren eine stärkere Absicherung – im Gegenzug zu den sinkenden Kursen steigen die Renditen der Anleihen.

Aber auch die Politik bereitet Sorgen: Viele fürchten, dass ein „harter Brexit“, wie ihn Premierministerin Theresa May Anfang des Monats ankündigte, der britischen Wirtschaft schaden könnte. Die Konservativen wollen die britischen Grenzen für Arbeitsmigranten aus Osteuropa geschlossen halten. Das hat für sie Priorität, zur Not wollen sie dafür auch auf den Zugang zum europäischen Binnenmarkt verzichten. Eine Position, die Finanzminister Philip Hammond offenbar nicht mitträgt. Was nun prompt zu Gerüchten und einem Bericht im „Daily Telegraph“ führte, der erst im Juli gekürte Schatzkanzler müsse schon bald wieder seinen Sessel räumen.

Auch dieser Richtungsstreit innerhalb der Regierungspartei und die Unsicherheit über den Kurs in den Austrittsverhandlungen verteuern die Staatsschulden. Und dann irritierte noch Mark Carney die Anleger. Der Gouverneur der Bank of England sagte am Freitag, es sei tolerierbar, bei der anvisierten Inflation von zwei Prozent „leicht übers Ziel zu schießen“, um einen starken Anstieg der Arbeitslosigkeit zu verhindern.

Ob abgestimmt oder nicht: Eine ganz ähnliche Bemerkung machte Freitagabend Janet Yellen. Auch die Chefin der US-Notenbank Fed kann sich ein temporäres Überschießen beim Inflationsziel vorstellen. Das verschreckte am Montag die Investoren auf dem amerikanischen Markt: Der Kurs der „Treasuries“ sank auf den tiefsten Stand seit Anfang Juni, ihre Renditen kletterten im Frühhandel auf über 1,8 Prozent.

Wobei sich auch in den USA eine allgemeine Ratlosigkeit über den weiteren Kurs breitmacht. Denn Yellen betonte generell, die US-Notenbank sei künftig stärker gefordert, die Konjunktur anzukurbeln. Sie nannte dies „Hochdruck-Ökonomie“. Was eigentlich darauf hinauslaufen müsste, dass die Fed die geldpolitischen Zügel noch länger locker lässt und auf die schon allseits erwartete Zinsanhebung vor Jahresende verzichtet.

Eurozone folgt dem Trend

Wie auch immer: Die Anleiheinvestoren reagierten stärker auf die unerwarteten Inflationssignale. Auch der deutsche Markt folgte am Montag dem Trend, mit einem Vier-Monats-Tief der Kurse bei zehnjährigen deutschen Bundesanleihen. Sie rentieren damit wieder leicht positiv. Auch in den anderen Ländern der Eurozone gaben die Renditen nach. Die EZB-Sitzung am Donnerstag könnte wieder etwas mehr Klarheit schaffen. Für den Fall, dass die Unsicherheit andauert, sehen Analysten durchaus noch Potenzial für weitere Kursrückgänge. (red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.10.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Trading On The Floor Of The NYSE As U.S. Stocks Fluctuate At Month End
International

USA: Die Rückkehr des Investmentbanking

Die Großen der Wall Street verdienen am Kapitalmarkt schon wieder prächtig.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.