Stresstest im stillen Kämmerlein

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Europas Versicherungen müssen sich gerade einem Stresstest unterziehen. Auch neun österreichische Unternehmen machen mit. Doch die Ergebnisse bleiben geheim.

Frankfurt/Wien. Seit Beginn der Finanz- und Wirtschaftskrise im Jahr 2008 wurden in der EU die Regeln für die Banken verschärft. So gibt es beispielsweise genaue Vorgaben, wie in allen EU-Ländern marode Finanzinstitute vom Markt genommen werden sollen. Doch bei der Umsetzung tauchen gravierende Probleme auf – wie beispielsweise in Italien, wo noch immer keine Lösung für die Krisenbank Monte dei Paschi vorliegt. Das Institut sitzt auf faulen Krediten in Milliardenhöhe und hat beim Stresstest der europäischen Bankenaufsicht das mit Abstand schlechteste Ergebnis erzielt. Trotzdem weigert sich Italien, die Bank zu schließen.

Nun soll die Vereinheitlichung des europäischen Versicherungsmarktes forciert werden. So kritisierte der Chef der europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen (Eiopa), Gabriel Bernardino, am Dienstag, dass es noch immer keine länderübergreifenden Mechanismen zur Rettung oder zur Abwicklung von Versicherungen gibt. Das erschwere die Lösung von grenzüberschreitenden Fällen.

„Wir müssen sicherstellen, dass die Versicherungsaufsicht in Europa auf gleichem Niveau arbeitet“, betonte Bernardino. Bis Ende Dezember will die Behörde diesbezüglich ein Konzept vorlegen. Die historisch niedrigen Zinsen setzen derzeit vielen Assekuranzen zu. So sagte beispielsweise die Ratingagentur Moody's den deutschen Lebensversicherungen schwere Jahre voraus.

Auch Nowotny warnt

Im Sommer warnte Österreichs Nationalbank-Gouverneur, Ewald Nowotny, vor „zweifellos erheblichen Stabilitätsaspekten“, die das Niedrigzinsumfeld auf Versicherungen und das kapitalgedeckte Pensionssystem haben dürfte. „Das ist eine Diskussion, die zu führen ist“, sagte Nowotny.

Die Finanzmarktaufsicht hat in Österreich bereits reagiert. So sinkt der sogenannte Garantiezins in der Lebensversicherung ab 2017 von 1,0 Prozent auf 0,5 Prozent. Doch wie gut oder schlecht die einzelnen Versicherungen aufgestellt sind, ist für Konsumenten schwer ersichtlich. So müssen sich die europäischen Assekuranzen gerade einem Stresstest unterziehen. Dabei werden zwei Szenarien durchgespielt. Im ersten Fall wird festgestellt, ob die Firmen genug Reserven für ein lang anhaltendes Niedrigzinsniveau haben. Im zweiten Szenario wird geprüft, ob die Versicherungen neben den niedrigen Zinsen auch einen Kursabsturz an den Börsen aushalten können.

In Österreich gibt es 27 Lebensversicherungen. Davon müssen die neun größten Anbieter am europäischen Stresstest teilnehmen. Diese decken 75 Prozent des österreichischen Marktes ab. Laut „Presse“-Informationen hat die österreichische Finanzmarktaufsicht bereits die entsprechenden Daten von den Firmen eingesammelt und an die europäische Versicherungsaufsicht Eiopa weitergeleitet. Im Dezember sollen dann die Detailergebnisse von allen Ländern vorliegen. Doch die Aufsicht Eiopa will die Resultate der einzelnen Unternehmen nur anonymisiert oder in Gruppen veröffentlichen.

Diese Geheimhaltungspolitik sorgt für Kritik. Denn die europäische Bankenaufsicht geht hier transparent vor und gibt genau bekannt, welche Institute durchgefallen sind. Beim jüngsten Stresstest vor zwei Jahren wurde festgestellt, dass jede vierte Versicherung in einer Krise die Kapitalanforderungen verfehlen könnte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.10.2016)

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