Audi: Imageschaden vor 24 Jahren

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Audi(c) AP (Thomas Kienzle)
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Heute steht Toyota am Pranger. Doch vor 24 Jahren kostete ein Hype um "unbeabsichtigtes Beschleunigen" die VW-Marke Audi praktisch den gesamten US-Markt.

General Motors sieht es eher sportlich: Für jeden Toyota, den verunsicherte Besitzer jetzt loswerden wollen, gibt es eine nette Eintauschprämie.
Auf US-Marktanteile, die im Sog der Gaspedalaffäre frei werden, dürfte auch Volkswagen schielen, doch wird man sich in Zurückhaltung üben. Zu drohend hallt das Schlagwort „unintended acceleration“ noch in den Köpfen der VW-Manager: Es steht für einen Wirbelwind, der Audi fast aus den Staaten geblasen hat.

Ohne Vorwarnung

Ruchbar wurde so etwas wie eine Affäre 1986 in der CBS-Nachrichtensendung „60 Minutes“, in der über Zwischenfälle mit Audi-Modellen berichtet wurde, Tenor: Die Autos fahren einfach los und richten Schaden an. Das interessierte andere Medien und lockte, in einer Frühphase dieser Kunstform, die ersten auf Schadenersatz spezialisierten Anwälte an.

Audi trafen die Vorwürfe ohne Vorwarnung. Die Marke hatte seit 1982 mit dem Audi 5000 (bei uns Audi 100) erstmals ein Modell auf dem Markt, das in den USA ernsthaft Marktanteile erobern konnte. Der „Stromlinienwagen“ galt als smarte Alternative zu amerikanischer Ware.

Für die Zwischenfälle hatte Audi keine Erklärung, erst recht kein Rezept gegen die um sich greifende Hysterie: Bald weigerten sich Hotelgaragen und Valet Parkings der Restaurants, einen Audi anzunehmen. Was war geschehen?

Nach heutiger Sicht waren Bedienungsfehler (in Einzelfällen) die Ursache ungewollten Losfahrens. Anders als heute waren Form und Stellung der Pedale nicht genormt, Audis US-Modelle waren nicht anders ausgestattet als der Rest der Produktion – mit vergleichsweise kleinem Bremspedal, recht knapp neben dem Gaspedal. Das konnte ungewohnt sein für Fahrer, die riesenhafte Bremspedale von US-Autos, die man zudem gern mit dem linken Fuß bediente, gewohnt waren. Audi entwickelte als Reaktion das „Shiftlock“-Patent, eine mechanische Sperre, wie sie heute weltweit üblich ist: Vor dem Anfahren muss die Bremse getreten werden.

Image beim Teufel


Doch da war die Situation bereits verfahren, „das Image in den USA beim Teufel“, wie es der damalige Audi-Chef Ferdinand Piëch beschreibt: „Die Meinungsmache richtete sich an den spektakulären Fällen aus, die zum Teil auch so tragisch waren (der Tod von Kindern, Anm.), dass es gar keine Chance gab, Emotionen und Sachverhalt vernünftig auseinanderzuhalten.“

Dass Audi in der nachfolgenden Prozesslawine von 125 Verfahren nur eines verlor, war ein geringer Trost: Von 75.000 Audis 1985 büßte die Marke bis zu 80 Prozent ihres US-Exportvolumens ein. Es dauerte 15 Jahre, bis wieder der Stand vor der Affäre erreicht war.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.02.2010)

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