Griechische Sanierungspläne: Die Zeit läuft

(c) AP (Matthias Rietschel)
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Athen muss die Glaubwürdigkeit seiner Sanierung binnen Monatsfrist unter Beweis stellen. Europa erhöht den Druck auf Griechenlands Regierung, ein mächtiges Sparprogramm zu verfolgen.

BRÜSSEL/DEN HAAG. Griechenland hat seit gestern, Dienstag, genau einen Monat lang Zeit, um die Ernsthaftigkeit seiner Sparbemühungen zu beweisen. Die EU-Finanzminister sowie die Europäische Kommission machten aber klar, weitere Maßnahmen zu erwarten. „Griechenland wird bis Mitte März zusätzliche Schritte vorschlagen müssen, um die Ziele zu erreichen“, sagte Wirtschafts- und Währungskommissar Olli Rehn nach dem Treffen der Finanzminister am Dienstag in Brüssel. „Unsere Entscheidung ist kristallklar. Falls Griechenland nicht das Ziel erreicht, sein Budgetdefizit heuer um vier Prozent zu reduzieren, wird es zusätzliche Maßnahmen ergreifen müssen“, sagte Jean-Claude Juncker, Luxemburgs Ministerpräsident und Vorsitzender der Eurogruppe, jenes Gremiums, in dem sich die Euroländer abstimmen.

Rehn will Rechenschaft über Tricksereien

Zudem machen sich Experten der Kommission, der Europäischen Zentralbank und des Internationalen Währungsfonds auf den Weg nach Griechenland, um die Einhaltung der Budgetsanierung zu überwachen. Und schon bis Ende nächster Woche verlangt Kommissar Rehn von der Athener Regierung Rechenschaft darüber, in welchem Ausmaß frühere Regierungen bis zumindest zum Jahr 2004 die Dienste von Investmentbanken in Anspruch genommen haben, um neue Schulden in intransparente Wertpapiere zu verbriefen und so die strengen Kriterien des Maastrichter Vertrags für die Einführung des Euro zu umgehen.

Zusammenfassend lässt sich also sagen: Europa erhöht den Druck auf Griechenlands Regierung, ein mächtiges Sparprogramm zu verfolgen. Eine politische Debatte darüber, wie die Union auf künftige Finanzkrisen reagieren soll, gibt es aber nicht. Und dass so eine Krise kommen wird, also irgendwann wieder ein Euroland unter dem Damoklesschwert der Insolvenz zittert, liegt in der Natur der Dinge.

Geordnetes Scheitern ermöglichen

Die Ökonomen Kenneth Rogoff (Harvard) und Carmen Reinhart (University of Maryland) haben schon 2008 in ihrem Papier „This Time is Different: A Panoramic View of Eight Centuries of Financial Crises“ festgestellt, dass nur die zwei Jahrzehnte vor dem Ersten Weltkrieg – die Blütezeit des Goldstandards – ähnlich stabil waren wie die Jahre 2003 bis 2007. Anders gesagt, ist mit Schuldenkrisen stets zu rechnen. „In Zukunft muss es das politische Schlüsselziel sein, die Marktdisziplin wiederherzustellen, indem man einen Zahlungsausfall ermöglicht“, schreiben Daniel Gros vom Centre for European Policy Reform und Thomas Mayer, Chefökonom der Deutschen Bank, in ihrem Papier „Towards a Euro(pean) Monetary Fund“. Sie schlagen einen EU-Währungsfonds (EWF) vor, der sich aus einem Prozent der jährlichen Überschreitung der Schuldengrenze von 60 Prozent und einem Prozent des Defizits speist, das über drei Prozent liegt. In Griechenlands Fall hätte dieser Beitrag 2009 überschaubare 0,65Prozent der Wirtschaftsleistung betragen.

Hätte man gleich zu Beginn der Währungsunion zu sparen begonnen, wären nun rund 120 Mrd. Euro vorhanden – „genug, um die Rettung jedes kleinen bis mittelgroßen Eurolandes zu finanzieren“, so ihre Conclusio. Überdies müsste für diesen EWF der EU-Vertrag nicht geändert werden. Er ließe sich im Wege der vertieften Zusammenarbeit der Euroländer umsetzen.

Politischer Wille zu tiefer Reform fehlt

Derzeit fehlt dafür der politische Wille. Die Finanzminister sind mit dem Löschen des Brandes befasst, nicht mit dem Einbau von Brandschutztüren. Gleiches gilt wohl noch für die Verstärkung der politischen Union, also die Aufgabe eines Gutteils der wirtschaftspolitischen Souveränität der Mitgliedstaaten. „Wenn die politische Union nicht vertieft wird, werden wir solche Probleme, wie wir sie jetzt in Griechenland erleben, immer wieder haben“, meint Cees Maas, Ex-Finanzvorstand der ING-Gruppe und einer der Gründerväter des Maastrichter Vertrages. „Die EU kann zwar Bußgelder verhängen, aber das würde das finanzielle Problem beispielsweise in Griechenland nur noch verschärfen.“

IN ZAHLEN: VERSCHULDUNG

84% der jährlichen Wirtschaftsleistung beträgt derzeit die Verschuldung der gesamten Eurozone.

101% der jährlichen Wirtschaftsleistung beträgt derzeit die griechische Staatsverschuldung.

302 Mrd. Euro ist die Höhe der griechischen Staatsverschuldung bei ausländischen Banken. Griechenland ist bei österreichischen Banken mit etwa 4,5 Milliarden Euro in der Kreide.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.02.2010)

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