Deutschlands jüngster Unternehmer: Ein 14-Jähriger

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Der Computerfreak Bernhard Schulz ist 14, geht zur Schule und spielt Schlagzeug. Der "Presse am Sonntag" verrät der schüchterne Sachse, was bisher nur Wenige wussten: Dass er Deutschlands jüngster Unternehmer ist.

In der hintersten Reihe des Hörsaals sitzt ein junger Bursche, eigentlich noch ein halbes Kind. Er wirkt unsicher, die Umgebung scheint ihm fremd. Freundliche Backen, strähnige Haare, ein paar kleine Pickel im Gesicht. Das passt nicht hierher, in die smarte Welt der geschniegelten BWL-Studenten an der Uni Dresden. Sie wundern sich: Was macht der bei uns?

Nach der Vorlesung sprechen sie ihn an. Er antwortet trotzig, schüchtern, nur langsam Vertrauen fassend: Er sei erst 14 und natürlich kein Student, sondern nur Gast. Er mache Geschäfte mit Suchmaschinenoptimierung, Internetmarketing und 3-D-Grafik. Da sollte er nicht nur programmieren können, sondern eben auch etwas von der Wirtschaft verstehen.

Einen BWL-Kurs in Zwickau habe er schon besucht. Aber das war was für Jugendliche, nichts Richtiges. Jetzt habe er Feuer gefangen, und deshalb sitze er hier. Immer aufgeweckter wird der Knirps, immer fester seine Stimme. Aber manche Dinge behält Bernhard Schulz lieber für sich: dass ihn zum ersten Kurs das Familiengericht gedrängt hat, als Voraussetzung für seinen Gewerbeschein. Dass er eine Firma und eine Steuernummer hat, dass die Industrie- und Handelskammer ihn als Mitglied führt, kurz: dass er Deutschlands jüngster Unternehmer ist.

Firmenzentrale Jugendzimmer. Das soll besser niemand wissen. Seine Lehrer nicht, seine freien Mitarbeiter nicht – und schon gar nicht seine Kunden. Denn Bernhard sieht seine Jugend nicht als Vorteil: „Ein paar Aufträge habe ich verloren, weil Interessenten mein Alter herausgefunden haben“, sächselt er dezent. Auch seine Lehrer im Sportgymnasium in Altenberg würden den unauffälligen, mittelprächtigen Schüler mit strengeren Augen sehen, wenn sie wüssten, dass er die Pausen für Telefonate mit Geschäftspartnern nutzt. Oder dass er alle Aufgaben im Pendlerzug macht. Denn zu Hause, im kleinen Uhrmacherstädtchen Glashütte, ruft ab zwei Uhr nachmittags die Arbeit – im Jugendzimmer, der Firmenzentrale.

Aber ein wenig stolz, ein bisschen eitel ist Bernhard ja doch. Nach Recherchen im Netz ist er sich sicher, der jüngste Firmenboss im Lande zu sein. Nun wagt er die Flucht nach vorne, tritt über die „Presse am Sonntag“ an die Öffentlichkeit und macht seine scheinbare Schwäche zur Waffe im Kampf um Kunden. Der Junge aus Sachsen hat auch Grund, stolz zu sein. Das Programmieren hat er sich selbst beigebracht. Das Kapital für die einzige Investition, einen Mac-Computer, hat er seinen Eltern auf Heller und Pfennig zurückgezahlt.

Die Banker guckten doof. Vor zwei Jahren kam Bernhard drauf, dass er mit seinem Hobby auch Geld verdienen kann. Vorigen September wurde es dann ernst mit der eigenen Firma: Antrag der Eltern beim Amtsgericht, Vorladung, skeptische Beamte. Wie er sich das rechtlich vorstelle? Schließlich einigte man sich auf Auflagen: Bernhard besucht Kurse, und ein Anwalt formuliert Allgemeine Geschäftsbedingungen, die seine Haftung auf grobe Fahrlässigkeit beschränken.

Die nächste Station im Hürdenlauf war die Bank: „Die haben schon doof geguckt, als ich gesagt habe, dass ich 14 bin und ein Geschäftskonto eröffnen will“, grinst Bernhard. „Aber wenn ich dort heute reingehe, bekomme ich das Gefühl, dass ich Sonderrechte habe – die kennen mich alle, weil sie beim Mittagessen über mich reden.“

Es ist kein Zufall, dass der jüngste deutsche Unternehmer in der Internetbranche zu finden ist. Suchmaschinenoptimierer sorgen dafür, dass die Webseite ihres Auftraggebers in den Rankings von Google und Konsorten weit vorne landet. Eine Domäne der Tüftler und computersüchtigen Eigenbrötler. Und keine Frage des Alters.

Statt fixen Angestellten sucht sich Bernhard Freelancer und Subauftragnehmer im Netz. Man kennt sich kaum, sieht sich nicht, das Alter spielt keine Rolle. An die Stelle des sonst üblichen Büroalltags, in dem befohlen und gehorcht wird, treten Verträge, die die Zusammenarbeit regeln.

Ein Diplomingenieur „zwischen 40 und 50“ arbeitet Bernhard ebenso zu wie die Firma IIS Technologies im indischen Neu-Delhi mit 50 Angestellten. Mit seinem Kompagnon, dem 16-jährigen Gerrit Köchling in Dortmund, hält Bernhard täglich Telefonkonferenzen ab. Bald wollen sie eine Kapitalgesellschaft gründen. In der Offline-Realität treffen sie sich nur drei Mal im Jahr.

Bernhards Vater, ein Landschaftsarchitekt, und seine Mutter, Ernährungsberaterin, finden ihre Klientel in der sächsischen Provinz. Aber die Kunden von „SK-Webentwicklung“ sitzen irgendwo, auch in Österreich. Die Konkurrenz unter den Freaks ist hart. Statt auf digitale Marktplätze wie MyHammer („Da tummeln sich alle, das drückt die Preise“) setzt der Jüngstunternehmer auf Mundpropaganda und eine alte Unternehmerweisheit: „Ein zufriedener Kunde bringt zehn neue.“

Der Preis des Erfolgs. Der Erfolg fordert seinen Tribut: Auf eine unbeschwerte Jugend verzichtet Bernhard. Fußball, Fitnessklub, Ausgehen – für die Freizeitfreuden seiner Freunde bleibt wenig Zeit. Oft arbeitet er auch am Wochenende. Zum Trost fährt er nach Dresden zum Shoppen: „Wenn etwas mal 50 Euro mehr kostet, denk ich mir: Egal, das hab ich in einer Stunde locker verdient.“ Bei seinen Schulkollegen mit den paar Euro Taschengeld „weckt das schon Neid“. Also gibt sich der stille Star bescheiden: „Ich lass das alles nicht so raushängen.“

Im Übrigen: Er war auch schon mal wilder. Mit zarten zwölf spielte Bernhard Schlagzeug in einer Punkrockband („Eher mainstreamig, in Richtung Offspring“). Dass die sich aufgelöst hat, liegt nicht an ihm: Der zweite Gitarrist ist weggezogen. Sicher, Musik könnte man wieder machen, nur Tourneen sind nicht mehr drin. Oder doch? Mit 14 Jahren, als Unternehmer 2.0, hat Bernhard Schulz seinen Lebenszug gerade erst auf die Schienen gebracht. Es bleiben noch viele Weichen, die er stellen kann.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.02.2010)

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