Schulden: "Großbritannien liegt in Bett aus Sprengstoff"

(c) Reuters (Luke MacGregor)
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Im laufenden Haushaltsjahr gab es eine Rekordneuverschuldung von 12,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) - sogar Griechenland steht mit 12,7 Prozent besser da. Diese Entwicklung beunruhigt die Märkte.

LONDON. Großbritannien ist dabei, Griechenland den Rang als Europas wirtschaftliches Sorgenkind Nummer eins abzulaufen. Vor der Budgetrede von Schatzkanzler Alistair Darling am 24. März herrscht Hochspannung: Die Märkte warten darauf, ob sich die düsteren Prognosen bewahrheiten, dass Großbritannien im laufenden Haushaltsjahr eine Rekordneuverschuldung von 12,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) eingefahren hat. Der Wert hat Signalwirkung, denn selbst das heftig gescholtene Griechenland steht mit 12,7 Prozent besser da.

Die Spannung wird dadurch verschärft, dass die Budgetrede das letzte bedeutende Ereignis der laufenden Legislaturperiode ist. Unmittelbar danach, so erwartet man, wird Premier Gordon Brown der Queen die Ausschreibung von Neuwahlen am 6. Mai vorschlagen. Nach jüngsten Umfragen werden weder die regierende Labour Party noch die oppositionellen Konservativen eine absolute Mehrheit schaffen. „Wenn die Märkte eines hassen, dann ist es Unsicherheit“, sagt der Ökonom John Higgins von Capital Economics.

Das bekommt die Landeswährung zu spüren, die seit Beginn der Krise 2008 auf einer fast permanenten Talfahrt ist. Allein seit Jahresbeginn 2010 verlor das Pfund gegenüber dem Dollar um mehr als sieben Prozent und fiel zuletzt unter die psychologisch wichtige Marke von 1:1,5. Gegenüber dem Euro ist das Pfund sogar auf dem Weg zu einem Kurs 1:1. Wie tief die Krise der britischen Wirtschaft ist, zeigt die Tatsache, dass die Exporte trotz Abwertung weiter rückläufig sind: Im Jänner fielen sie um 6,9 Prozent, das Außenhandelsdefizit betrug allein in diesem Monat acht Milliarden Pfund.

Im Jänner brachen die Steuereinnahmen um 11,8 Prozent gegenüber Jänner 2009 ein, während die Staatsausgaben um fast zehn Prozent wuchsen. Grund sind nicht nur wachsende Sozialleistungen, sondern auch langfristige Ausgaben etwa für Infrastrukturprojekte, mit denen die Regierung die Krise überwinden möchte.

„Schulden noch immer bezahlt“

„Das sind wirklich schreckliche Zahlen“, sagt der Ökonom Andrew Goodwin vom angesehenen Ernst&Young Item Club. Umso dringender sei es, die Staatsfinanzen in Ordnung zu bringen. Kate Barker von der Bank of England warnte sogar, dass ein Rückfall in die Rezession „möglich“ sei.

Daher sind die Erwartungen an die künftige Regierung, den Staatshaushalt zu sanieren, groß. Schatzkanzler Darling verspricht, „kein Scheinbudget, sondern harte Maßnahmen“ vorlegen zu wollen. Premier Brown hingegen betont regelmäßig, dass die Schulden zur Rettung der Wirtschaft – insbesondere des Finanzsektors – unausweichlich waren. „Es stehen uns noch einige Hürden bevor, aber ich werde euch nicht im Stich lassen“, versprach er diese Woche. Die Konservativen, die als Erste Großbritannien mit Griechenland verglichen und ursprünglich scharfe Kürzungen angekündigt hatten, verloren angesichts fallender Umfragewerte völlig den Kopf. Selbst in der Londoner City fällt die Zustimmung zu den Tories.

Die Ratingagenturen, die London schon wiederholt mit einem Verlust des Triple-A-Ratings gedroht haben, wollen vorerst abwarten. Dafür gibt es trotz des horrenden Budgetdefizits von erwarteten 178 Milliarden Pfund auch gute Gründe: Die gesamte Staatsverschuldung entspricht derzeit mit 848 Milliarden Pfund etwa 68 Prozent des BIP, während sie beispielsweise in Griechenland bei 123 Prozent liegt. Der Ökonom Will Hutton fügt außerdem hinzu: „Unser Land hat seit dem 14. Jahrhundert seine Verbindlichkeiten immer bezahlt. Die Gefahr, dass es diesmal nicht mehr dazu in der Lage sein wird, ist gleich null.“

Tatsächlich verkaufen sich britische Staatsobligationen angesichts der globalen Unsicherheiten weiter blendend. Der führende Hedge-Fund-Manager Bill Gross warnte jedoch Ende Jänner in Hinblick auf die britische Schuldenlast: „Das Land liegt in einem Bett aus Sprengstoff.“

AUF EINEN BLICK

Die Neuverschuldung in Großbritannien könnte im laufenden Haushaltsjahr auf 12,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigen. Das wäre höher als die Neuverschuldung Griechenlands (12,7 Prozent). Auch politische Unsicherheit beunruhigt die Märkte: Das Pfund stürzt ab.■Die Ratingagenturen, die schon wiederholt mit einer Herabstufung der britischen Bonität gedroht haben, warten vorerst ab: Der gesamte britische Staatsschuldenstand entspricht 68 Prozent des BIP. Zum Vergleich: In Griechenland sind es 123 Prozent.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.03.2010)

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