Irak: Das Öl bleibt unter der Erde

Irak bleibt unter Erde
Irak bleibt unter Erde(c) AP (NABIL AL-JURANI)
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Die Hoffnung der Regierung und der Investoren, den Irak zum drittgrößten Ölproduzenten der Welt zu machen, scheint völlig illusorisch. Der arabische Staat wird sein Potenzial noch lange nicht voll ausschöpfen können.

New York. Die Euphorie war groß, als Iraks Regierung im Vorjahr ausländische Investoren zur Suche nach Öl einlud. 200 Mrd. Dollar jährlich wolle man schon bald durch die Ölförderung einnehmen, verkündete ein Regierungssprecher. Das ist das Dreifache des aktuellen Budgets des Landes. Die Konzerne ließen sich nicht lange bitten. Chinesische und russische Konsortien sowie die europäische Firma Shell erwarben Lizenzen, um nach Öl suchen zu dürfen.

Nur wenige Monate später weicht die Euphorie der Ernüchterung. Die Hoffnung der Regierung und der Investoren, den Irak zum drittgrößten Ölproduzenten der Welt zu machen, sei völlig illusorisch. Das ist das Ergebnis einer der „Presse“ vorliegenden Studie der amerikanischen Beratungsfirma IHS Cera. Die tägliche Fördermenge werde bis 2020 bestenfalls auf 6,5 Millionen Barrel ansteigen. Bislang ist man von zwölf Millionen Barrel ausgegangen.

US-Firmen hielten sich zurück

Die politische Lage und die Sicherheitssituation werden sämtliche Fortschritte behindern“, erklärt Studienautor Bhushan Bahree. Er geht davon aus, dass „die jahrzehntelange Unterentwicklung der irakischen Ölförderung“ auf unbestimmte Zeit bestehen bleiben werde. Deshalb sei es eine weise Entscheidung der US-Firmen gewesen, sich nicht um die im Vorjahr vergebenen Lizenzen zur Ölförderung zu bewerben.

Als die Rechte für sieben große Ölfelder ohne nennenswerte Gebote der US-Multis verkauft wurden, äußerten manche Beobachter noch Unverständnis. „Es ist schon ironisch, dass US-Firmen nicht versuchen, Profit aus dem Ergebnis eines Krieges zu schlagen, den ihr Land geführt hat“, sagte etwa Ben Lando, Chef der Nachrichtenagentur „Iraq Oil Report“.

Nun könnte sich die Entscheidung der amerikanischen Multis, sich im Hintergrund zu halten, als Goldgriff herausstellen. Der überraschende Wahlsieg von Herausforderer Ayad Allawi bei den Parlamentswahlen im März dürfte die politische Landschaft völlig verändern. Allawi ist ausländischen Investoren gegenüber sehr skeptisch. Die Studienautoren von IHS Cera erwähnen die Möglichkeit, dass eine neue Regierung bereits abgeschlossene Verträge rückgängig machen könnte.

Für die chinesischen und russischen Konsortien wäre das ein schwerer Schlag, ebenso wie für den britisch-niederländischen Shell-Konzern. Den Firmen wurden lukrative Gebühren versprochen. Der Irak verfügt nämlich nicht über das Know-how, die verborgenen Ölreserven an die Oberfläche zu holen. Allerdings zeigten sich US-Beobachter schon damals skeptisch. Denn die Vorverträge verbieten den Firmen, das geförderte Öl selbst zu verkaufen. Für den US-Riesen Exxon Mobil war das das Hauptmotiv, sich nur bei einem der vielen ausgeschriebenen Felder um eine Lizenz zu bewerben.

Gefahr für die Mitarbeiter

Der voraussichtliche Regierungswechsel ist nur ein Grund, warum ein Großteil der Ölreserven weiterhin unter der Erde des arabischen Landes bleiben wird. Die Studie weist auch auf die schlechte Infrastruktur sowie die angespannte Sicherheitslage hin. Vergangenes Wochenende starben in der Nähe von Bagdad zumindest 60 Menschen, als mehrere Autobomben explodierten. Die Chefs ausländischer Ölfirmen benützen mittlerweile gepanzerte Limousinen, um sich vor Anschlägen zu schützen.

Aktuell fördert der Irak 2,4 Millionen Barrel Öl pro Tag. Damit reiht sich das Land hinter Brasilien an der 13. Stelle ein. Experten zufolge ist das Potenzial zur Ölförderung so groß wie in keinem anderen Land. Die Regierung unter Premier al-Maliki plante, für heuer 50 weitere Lizenzen zu vergeben. Auf welchen Wert diese Zahl unter dem Wahlsieger Allawi sinken wird, ist ungewiss.

AUF EINEN BLICK

Aktuell fördert der Irak 2,4 Mio. Barrel Öl pro Tag. Damit reiht sich das Land an der 13. Stelle ein. Die Regierung begann im Herbst mit der Lizenzvergabe und will den Irak zum drittgrößten Produzenten machen.■Eine Studie besagt nun, dass die Vorgaben unrealistisch sind. Ein möglicher Machtwechsel verheißt für die Investoren nichts Gutes. Bereits abgeschlossene Verträge könnten rückgängig gemacht werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.04.2010)

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