"Ratingagenturen haben Schockzustand herbeigeführt"

Ratingagenturen haben Schockzustand herbeigefuehrt
Ratingagenturen haben Schockzustand herbeigefuehrt
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Nach den Abstufungen der Kreditwürdigkeit von Griechenland, Portugal und Spanien flammt die Kritik an den Ratingagenturen neu auf. Man solle den Agenturen nicht "allzu sehr glauben", sagt IWF-Chef Strauss-Kahn.

Am Dienstag setzte die Ratingagentur Standard & Poor's, die Kreditwürdigkeit Griechenlands um drei Werte nach unten. Auch die Kreditwürdigkeit Portugals und Spaniens wurde herabgesetzt. Nun folgt der Aufschrei: Die Rolle der Ratingagenturen wird in Frage gestellt. Es sei unangemessen, die von den Ratingagenturen vorgenommenen Einstufungen "allzu sehr zu glauben", sagte IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn am Mittwoch.

Unabhängige Ratingagentur wird gefordert

Ein Schuldiger für die aktuelle Krise scheint gefunden. Die Europäische Union müsse "der Tätigkeit von Ratingagenturen eigene Bemühungen" entgegensetzen, fordert Guido Westerwelle, Chef der deutschen Regierungspartei FDP laut "Handelsblatt". „Ratingagenturen dürfen nicht gleichzeitig Finanzprodukte entwickeln, vertreiben und bewerten", so sein Kritikpunkt.

Der Vize-Sprecher der parlamentarischen Linken in der SPD, Carsten Sieling, lässt kein gutes Haar an den Ratingagenturen: "Jetzt haben die Ratingagenturen mit ihrer Abwertung einen Schockzustand heraufbeschworen und die Lage zusätzlich destabilisiert". Er fordert daher eine "europäische Ratingagentur, die frei von politischer Einflussnahme agieren kann".

"Große Nervosität auf Märkten ausgelöst"

Auch der deutsche Wirtschaftsweise Peter Bofinger geht mit den Ratingagenturen hart ins Gericht. "Sie haben von Beginn der Finanzkrise an versagt - warum sollte sich die Europäische Zentralbank in dieser kritischen Phase überhaupt noch auf ihr Urteil verlassen", sagt Bofinger. "Wir hängen zu sehr am Tropf der Ratingagenturen", zitiert "welt.de" auch Clemens Fuest, Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirates des deutschen Bundesfinanzministeriums.

"Fast scheint es, als sollten nun die EU und der IWF zur Hilfe getrieben werden", meint Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln, der "Welt" zufolge. Schon seit längerem hätte klar sein müssen, dass die Sanierung der griechischen Staatsfinanzen "keine Kurzgeschichte" sei. "Statt nach und nach Griechenland herabzustufen, haben sie mehrere Schritte auf einmal vollzogen und damit große Nervosität auf den Märkten ausgelöst."

"Griechen-Rating war immer das niedrigste"

S&P widerspricht dem Vorwurf, zu spät auf die Probleme der Hellenen reagiert zu haben. Bereits 2004 hätte S&P damit begonnen, das Griechen-Rating herunterzunehmen. "Das Rating für Griechenland war immer das niedrigste unter den Ländern der Euro-Zone", betont Kreditanalyst Moritz Krämer.

Fitch-Deutschland-Geschäftsführer Jens Schmidt-Bürgel gibt zu, dass die Agenturen grundsätzlich im Dilemma stecken, was den Zeitpunkt einer Neubewertung betrifft. "Wir können es nie allen recht machen, weil Investoren unterschiedliche Interessen haben. Während die einen kritisieren, dass wir zu langsam auf Entwicklungen agieren, sagen andere, wir würden viel zu schnell herunterstufen und damit wie Brandbeschleuniger wirken", verteidigt er sich. Fakt sei, wenn sich die Lage von Staaten oder Firmen überraschend verändere, müssten die Agenturen darauf mit einer Ratingaktion reagieren.

Rückendeckung für Herabstufungen

Wirtschaftsprofessorin Christina Bannier von der Frankfurt School of Finance verteidigt das Vorgehen der Agenturen. "Es hilft niemandem, wenn die Ratingagenturen bescheinigen, dass die Situation in Griechenland nicht so schlimm ist, sich am Ende aber möglicherweise ein Staatsbankrott doch nicht vermeiden lässt", sagt sie.

Auch Portfoliostratege Gunnar Stangl von der Commerzbank ist sich sicher, dass Fitch & Co. genau wissen, was sie mit den Aktionen bewirken. "Sie handeln nach vorgegebenen Kriterien, die seit Jahren gelten. Mit ihren Einstufungen reflektieren sie die wirklichen Zustände, sie denken sich das ja nicht einfach so aus", sagt er.

(Red./Ag.)

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