Griechenland: „Ich will einen von denen im Gefängnis sehen“

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Griechenland bdquoIch will einen(c) Reuters (ORESTIS PANAGIOTOU)
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Die Menschen wundern sich, was mit ihren Steuern passiert ist. Athen hofft auf baldige EU-Hilfe.

ATHEN. „Einen Sauerstoffschub“ gibt die von der EU und dem IWF zugesagte Griechenland-Hilfe dem hoch verschuldeten Land, so die Zeitung „To Vima“. Premier Georgios Papandreou hat die „persönliche Garantie“ dafür übernommen, dass die Unterstützung Früchte tragen wird. Die linke Opposition aber versucht nach wie vor, gegen die weiter verschärften Sparmaßnahmen Sturm zu laufen.

„Die Peitsche für das Zuckerbrot von 120 Milliarden“, titelt die Athener Tageszeitung „Ethnos“ und umreißt das Maßnahmenpaket, das nun noch zusätzlich auf die Griechen zukommen werde: eine erneute Erhöhung der Mehrwertsteuer um weitere zwei Prozentpunkte sowie der Tabak- und Alkoholsteuer und vor allem die Streichung des sogenannten 13. und 14. Monatsgehalts, das sich aus Feiertagszulagen zusammensetzt. Deren Abschaffung auch im privaten Sektor zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit griechischer Produkte hat allerdings auch die griechische Regierung bis zuletzt versucht zu verhindern. Arbeitsminister Andreas Loverdos warnte davor, dass gerade diese Maßnahme den „Markt austrocknen“ werde. Eine tiefe Rezession aber würde das gesamte Stabilitätsprogramm gefährden. Aber, so betonte Loverdos, die griechische Regierung schachere nicht mit dem IWF und der EU, sie bringe nur ihre Standpunkte ein.

Genau das wird ihr immer lautstarker besonders von der linken Opposition vorgeworfen. Die Kommunistische Partei und die Linksallianz SYRIZA sind es gemeinsam mit den starken Gewerkschaften, die die Streikwelle in Griechenland am Rollen halten. Mitte der Woche hatten zum Beispiel die Tontechniker der Radiostationen gestreikt – auf den meisten Wellen konnten trotz der sich überschlagenden Nachrichtenlage keine Informationssendungen ausgestrahlt werden.

In einem Flugblatt hieß es „auf zum Kampf gegen die Besatzung“ durch den IWF, man werde es nicht hinnehmen, zu Sklaven des Kapitals zu werden, es nicht zulassen, „dass über unsere Leichen und die unserer Kinder“ gegangen werde. Diese ideologisch verbrämten Sprechblasen beeindrucken sicher nur eine Minderheit der Griechen.

Weit verbreitet aber ist die Wut darüber, dass diejenigen zur Kasse gebeten werden, die ohnehin am wenigsten zu geben haben. „Ich will einen von denen im Gefängnis sehen, dann bin ich auch bereit zu sparen“, brüllt Theodoros Kabanaris gegen den Lärm in der Markthalle an. Der Fischhändler ist „beschämt und wütend“ über die gesamte politische Führung des Landes, die sich die Gelder doch über Jahrzehnte in die Tasche gesteckt habe, „das Geld ist in Griechenland, wenn die das zurückgeben würden, bräuchten wir kein Geld aus dem Ausland“.

Viele große Korruptionsfälle um Immobilienschiebereien, um Provisionen für Waffenkäufe und um Staatsanleihen aus Rentenkassen sind bekannt geworden, strafrechtliche Konsequenzen für auch nur einen Politiker hatte das bisher nicht.

Aber auf die in Talkshows und Radiodebatten dieser Tage in Griechenland so populäre Frage „Wo ist unser Geld geblieben?“ dürfte die gern und oft populistisch schnell gegebene Antwort „Die da oben haben es geklaut“ zu kurz gefasst sein.

„Bei uns allen ist es geblieben“, schreibt der Chefkommentator der Tageszeitung „Kathimerini“, Alexis Papachelas. Auch die kleinen Bestechungen des Alltags auf dem Bau und in Finanzämtern haben den Staat um Geld gebracht, für reinen Konsum verschwendete EU-Mittel die Wirtschaft um eine wettbewerbsfähige Perspektive. Die einzige Lösung, so Papachelas, sei nun, dass „wir alle etwas ärmer“ werden.

Opfer dieser notwendigen Entwicklungen seien nur leider wieder die, die nicht bestechlich und nicht in Unkündbarkeit gut situiert waren, diejenigen, „die so dumm waren, hart zu arbeiten und keine Steuern zu hinterziehen“, diejenigen, die keine Schützlinge von Politikern oder Gewerkschaftern sind.

Denn bei den Streiks in Griechenland geht es inzwischen weniger um einen reellen Arbeitskampf, sondern vielmehr um einen Machtbeweis der Gewerkschaften und den dahinter stehenden Parteien. Dass die Maßnahmen durch die Arbeitsniederlegungen tatsächlich zurückgenommen werden könnten, glauben auch die Streikenden nicht ernsthaft. „Aber ein anderes Mittel haben wir doch nicht, um zu zeigen, dass wir nicht einfach alles mit uns machen lassen“, sagt Dimitra Leousi. Die Lehrerin wird sich auch in den nächsten Tagen an den Streiks gegen die Lohnkürzungen beteiligen. „Jede Woche kommen wieder neue Maßnahmen auf uns zu, Irgendwo muss doch mal Schluss sein.“

BEAMTENPARADIES

Als man noch Geld hatte, gab es Griechenland großzügig aus. Einige Beispiele: Unverheiratete Töchter von Beamten erhalten nach dem Tod ihrer Eltern deren Pension; Staatsbedienstete können mit 50 Jahren in Pension gehen; Beamte können durch diverse Boni bis zu 1300 Euro pro Monat hinzuverdienen (Extrageld gibt es beispielsweise für die Nutzung eines Computers, das Beherrschen einer Fremdsprache oder das pünktliche Erscheinen am Arbeitsplatz). Forstbedienstete erhalten einen Bonus für das Arbeiten im Freien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.04.2010)

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