Griechenland: Erste Todesopfer der Schuldenkrise

(c) EPA (PANAGIOTIS MOSCHANDREOU)
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In Griechenland eskaliert die Gewalt. Eine Bank wurde in Brand gesteckt, das Parlament angegriffen. Die Finanzmärkte reagieren sensibel. Es gibt Zweifel, ob Athen das harte Sparpaket umsetzt.

ATHEN (ag., jes., red.). Die Proteste gegen die scharfen Sparpläne der griechischen Regierung haben erste Todesopfer gefordert. Am Mittwoch starben zwei Frauen und ein Mann im Gebäude einer Bank in der Athener Innenstadt, das zuvor von Demonstranten in Brand gesteckt worden war. Die Feuerwehr konnte den Brandort am Omonia-Platz nicht rechtzeitig erreichen, weil Autonome sie mit Steinen „bombardierten". Eine der getöteten Frauen sei schwanger gewesen, berichteten später Kollegen des Opfers laut der Nachrichtenagentur Reuters.

Premier Giorgos Papandreou zeigte sich schockiert: „Jeder hat das Recht zu demonstrieren, aber nicht Gewalt auszuüben und zu töten. Wir werden die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen." Ein Gebäude des Finanzamts, in dem Akten von Steuersündern aufbewahrt werden, ging ebenfalls in Flammen auf.

Auch vor dem Parlament eskalierte die Gewalt. Hunderte Demonstranten versuchten in das Gebäude einzudringen. Immer wieder stürmten sie die Aufgänge zum Parlament und wurden von der Polizei mit Schlagstöcken und Tränengas zurückgedrängt.

Heute, Donnerstag, soll dort das vom Internationalen Währungsfonds (IWF) und von den EU-Partnern geforderte Sparprogramm der Regierung abgesegnet werden. Weitere Versuche, das Parlament zu stürmen, werden erwartet. Die sozialistische Pasok unter Ministerpräsident Papandreou hat eine Mehrheit von 160 der 300 Sitze. Die Annahme des Gesetzes gilt daher als gesichert. Die oppositionelle konservative Nea Dimokratia (ND) wird das Gesetz voraussichtlich ablehnen.

Die Stimmung im Land hat sich radikalisiert, berichten Augenzeugen. Jugendliche aus der linken Szene zeigen sich zunehmend gewaltbereit. Und sie bekommen Zulauf. Das Zentrum Athens glich am Mittwochabend einem Schlachtfeld. Vermummte griffen mit Steinen und Stöcken Sicherheitskräfte an und setzten öffentliche Gebäude in Brand.

100.000 Menschen beteiligten sich an den Protesten in Athen und anderen Städten. Die Gewerkschaft, die zum Generalstreik aufgerufen hatte, sprach sogar von 200.000 Personen. Schulen, Krankenhäuser, Finanzämter, selbst die Akropolis blieben geschlossen. Der Flugverkehr und der gesamte öffentliche Verkehr wurden eingestellt. Am Mittwoch schlossen sich auch die Privatangestellten dem 48-Stunden-Streik der öffentlich Bediensteten an.

Hass auf das Ausland

In Teilen der Bevölkerung macht sich Unmut darüber breit, dass Vermögende und Unternehmer ihrer Ansicht nach zu wenig zum Sparprogramm beitragen müssen. Um die Liquidität des Staatshaushalts rasch abzusichern, musste die Regierung freilich auf eine kurzfristige Anhebung von Massensteuern (Mehrwehrtsteuer, Steuer auf Benzin) setzen. Sie treffen naturgemäß untere Einkommensschichten besonders hart.

Die Proteste richteten sich aber auch immer stärker gegen den Druck aus dem Ausland. „Sie sind wie Raubvögel", sagte ein 76-jähriger Demonstrant, der mit einer Pension von 345 Euro auskommen muss. „Die Deutschen nehmen Kredite für drei Prozent auf und geben sie uns um fünf Prozent weiter. Warum?" Auch die Gewerkschaften machen IWF und EU mitverantwortlich. „Das Land kann nicht ohne Kampf kapitulieren", sagte der Vorsitzende des Gewerkschaftsverbands GSEE, Yiannis Panagopoulos.

Die Turbulenzen in Griechenland haben die Börsen weltweit ins Minus gedrückt. Analysten fürchten, dass die Unruhen die Milliarden-Rettung des Euro-Landes gefährden. Es wachsen Zweifel, ob die Regierung in Athen ihr Sparprogramm umsetzen kann.

In Wien verlor der Leitindex ATX am Mittwoch mehr als drei Prozent. Bereits am Vortrag war der Index um vier Prozent gesunken. In Deutschland ist der Leitindex DAX unter die psychologisch wichtige Marke von 6000 Punkten gefallen. Der Kurs des Euro ist auf den niedrigsten Wert seit 14 Monaten abgesackt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.05.2010)

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