KONJUNKTUR. Der US-Finanzminister lobt den milliardenschweren Rettungsschirm für krisengebeutelte Euroländer – und fordert den Abbau der stark erhöhten Defizite.
Wien (hie/Reuters).Seit Mittwoch ist US-Finanzminister Timothy Geithner zu Besuch in Europa. Sein Aufenthalt dauert nur wenige Tage, die er aber effizient nützt. Und zwar, indem er Europa Ratschläge gibt, wie die krisengebeutelte Gemeinschaft ihren Weg aus dem Schlamassel finden könnte. Da fielen anerkennende Worte für den 750-Milliarden-Rettungsschirm für überschuldete Euroländer – für Geithner „ein gutes Programm mit den richtigen Elementen“. Auf das Lob folgte sogleich die Schelte: „Was die Märkte sehen wollen, sind Handlungen“, so der Finanzminister am Mittwoch nach einem Gespräch mit seinem britischen Amtskollegen George Osborne.
Geithner hat sich für seine Europareise noch mehr vorgenommen: Mit dem deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat er dessen Worten zufolge „ein intensives Gespräch über all die Fragen der Finanzmarktregulierung“ geführt. Man wolle „unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Strukturen herausarbeiten, wie wir gemeinsame Lösungen schaffen können, und da sind wir heute ein gutes Stück vorangekommen“, so Schäuble. Geithner sprach sich für einen Defizitabbau in „unterschiedlichen Geschwindigkeiten“ aus, gleichzeitig müssten die Länder aber auch ihr Wachstum fördern. Medienberichten zufolge will er den EU-Staaten empfehlen, die europäischen Banken einem Stresstest nach US-Vorbild zu unterziehen.
Wenn Geithner nach Hause kommt, erwartet ihn reichlich Arbeit. Denn der am Mittwoch veröffentlichte wirtschaftsausblick der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ortet nach wie vor erhebliche Risiken für die US-Konjunktur. Die für die USA ungewöhnlich hohe Quote an Langzeitarbeitslosen könnte zu dauerhaft höherer Arbeitslosigkeit führen, die Ausfallquoten für Immobilienkredite seien hoch und würden wahrscheinlich weiter ansteigen. Unklar sei auch, ob das Produktionswachstum selbsttragend sei und wie sich die rückläufigen Effekte der Krisenpakete auswirken. Nicht zu vergessen das Defizit, das heuer zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) betragen und 2011 auf neun Prozent sinken soll.
Gute Aussichten für die US-Wirtschaft
Das hindert die OECD nicht daran, optimistisch auf die US-Konjunktur zu blicken. Die Organisation der 31 Industriestaaten hat ihre Prognose im Vergleich zum Novemberausblick für heuer von 2,5 Prozent auf 3,2 Prozent angehoben. 2011 soll die US-Wirtschaft um weitere 3,2 Prozent zulegen. Der Euroraum soll um 1,2 Prozent statt 0,9 Prozent wachsen, 2011 sollen es 1,8 Prozent sein.
Den USA kommt ihre am Binnenkonsum orientierte Wachstumsstrategie zugute. Die Sparquote sei in den vergangenen drei Quartalen zugunsten des privaten Konsums zurückgegangen, so die OECD. Während die Triebfeder der US-Wirtschaft nach und nach anzieht, „hungern wir nach Exporten“, sagt Bernhard Felderer, Chef des Instituts für Höhere Studien, zur „Presse“. Da kommt der schwache Euro nicht ungelegen. „Der Euro könnte auf eine Parität zum Dollar sinken und es wäre kein größeres Problem für uns. Das Lamentieren über den schwachen Euro ist schwer verständlich.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.05.2010)