Arbeit bei Moody's: „Wir gaben jedem das beste Rating“

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Ein Ex-Manager spricht über Praktiken einer Ratingagentur. Bei der Anhörung lag der Fokus auf der Rolle von Firmen wie Moody's oder Standard&Poor's. Diese hätten leichtfertig das beste Rating „Triple A“ vergeben.

New York. Als Eric Kolchinsky vor dem Krisenkomitee Platz nimmt, ist es in dem kleinen Hörsaal mucksmäuschenstill. Der frühere Manager von Moody's hat im Vorfeld angekündigt, Einblick in die Praktiken der Ratingagentur zu geben. Nun warten rund 100 Zuhörer gespannt auf die Aussage des mittlerweile gefeuerten Experten. „Nein zu sagen war uns verboten“, erklärt Kolchinsky. „Wir gaben praktisch jedem das beste Rating für seine Immobilienkredite.“

Das eigens vom US-Kongress ins Leben gerufene Krisenkomitee („Financial Crisis Inquiry Commission“) hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Ursachen der Finanzkrise festzustellen. Bei der Anhörung am Mittwoch in Manhattan lag der Fokus auf der Rolle von Firmen wie Moody's oder Standard&Poor's. Diese hätten leichtfertig das beste Rating „Triple A“ vergeben und damit zur Bildung einer gewaltigen „Blase“ auf dem US-Häusermarkt beigetragen, so der Vorwurf des Komitees.

„Zu viel recherchiert“

„Ein einziges Mal weigerte ich mich, ein Bündel von Hypotheken mit Triple A zu bewerten“, sagt Ex-Manager Kolchinsky im Zuge der Einvernahme. „Es war irrsinnig schwer, die Topmanager davon zu überzeugen. Einer sagte mir sogar, dass ich schlicht und einfach zu viel recherchieren würde.“

Moody's vergab im Jahr 2006 für 9029 gebündelte Immobilienkredite das Rating „Triple A“. Damals hatte der US-Häusermarkt gerade seinen Höhepunkt erreicht. Als die Preise für Immobilien einbrachen, wurde ein Großteil der Hypotheken uneinbringlich. Banken begannen, einander zu misstrauen. Keiner wusste, wie viele solcher „faulen“ Hypotheken in den Bilanzen der Konkurrenz steckten. Ein Kreditengpass war die Folge. Die Banken liehen sich gegenseitig kaum noch Geld.

„Es ist mir unerklärlich, wie Sie so falschliegen konnten“, sagt Phil Angelides, der Vorsitzende des Krisenkomitees. Mittlerweile hat Raymond McDaniel, der Chef von Moody's, auf der Anklagebank Platz genommen. „89 Prozent aller von Ihnen bewerteten Immobilienkredite sind nichts mehr wert. Elf Prozent Erfolgsquote! Selbst das dümmste Schulkind würde ein besseres Ergebnis schaffen.“

McDaniel holt tief Luft, ehe er zur Verteidigung ansetzt. „Natürlich haben wir Fehler gemacht. Allerdings haben viele Leute diese gigantische Blase nicht kommen sehen. Wir haben damals die uns zur Verfügung stehenden Informationen nach bestem Gewissen verarbeitet.“ Erst kürzlich gab das Unternehmen bekannt, dass die US-Börsenaufsicht SEC Untersuchungen eingeleitet habe. Im Zentrum steht auch hier die Frage, warum die Ratingagentur so lange beste Bewertungen vergeben hat.

Für den ehemaligen Manager Kolchinsky liegt der Grund auf der Hand: „Jene, die wir bewerten, bezahlen uns auch. Das ist ein Interessenkonflikt“, sagt er. Tatsächlich kritisiert nicht zuletzt der US-Kongress die Tatsache, dass große Banken frei zwischen Ratingagenturen wählen können. „Hätten wir uns geweigert, wären die Kunden eben zur Konkurrenz gegangen“, erklärt Kolchinsky.

Buffett verteidigt Moody's

In den USA wird aktuell ein Gesetzesentwurf diskutiert, wonach Banken die Agentur nicht mehr frei wählen könnten. Demnach soll die Börsenaufsicht SEC eine Behörde einrichten, die als „Mittelsmann“ zwischen den Emittenten von Wertpapieren und Ratingagenturen agieren soll. Damit soll verhindert werden, dass Firmen wie Moody's stets beste Bewertungen vergeben, um die Kundschaft nicht zu verlieren.

Warren Buffett, dessen Investmentgesellschaft Berkshire Hathaway größter Moody's-Aktionär ist, hält das für keine gute Idee. „Moody's hat so wie ganz Amerika die Blase auf dem Häusermarkt nicht erkannt. Deshalb entstanden die falschen Bewertungen“, erläutert er unter dem Blitzlichtgewitter der Fotografen. Einen Interessenkonflikt ortet Buffett nicht. Wenn eine Ratingagentur schlechte Arbeit leiste, verliere sie ohnehin an Glaubwürdigkeit. „Eine staatliche Kontrolle braucht es dafür nicht.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.06.2010)

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