Umstrittene Reform soll Wettbewerbsfähigkeit steigern – und Märkte beruhigen.
MADRID/WIEN. Für die wirtschaftliche Glaubwürdigkeit Spaniens ist José Luis Zapatero sogar bereit, heilige Kühe zu schlachten: Am Mittwoch ließ der spanische Premier die Reform des bisher als unantastbar geltenden Arbeitsgesetzes per Dekret von seinem Kabinett absegnen – ohne dafür die Unterstützung der Gewerkschaften zu haben. Die Abstimmung im Parlament ist für 22. Juni geplant.
Mit dieser zentralen Strukturreform in der Tasche will der Sozialist heute beim EU-Gipfel in Brüssel beweisen, wie ernst er es mit der Sanierung der maroden Staatsfinanzen meint. EU und Internationaler Währungsfonds (IWF) hatten das tief verschuldete Madrid zur Flexibilisierung des Arbeitsmarktes gedrängt. Wirtschaftsexperten fordern seit Jahren eine Lockerung der starren Arbeitsregelungen, die unter anderem die Bezahlung von 45 Tagen Abfindung bei Kündigungen vorsehen. Nach Ansicht des IWF hemmt der strenge Kündigungsschutz die Wettbewerbsfähigkeit Spaniens massiv – und ist mitverantwortlich für die weitverbreiteten illegalen Arbeitsverhältnisse sowie für die höchste Arbeitslosigkeit der Eurozone (20 Prozent, unter Jugendlichen sogar 40Prozent): Wegen der strengen und für sie teuren Regeln zögern demnach Arbeitgeber, neue Mitarbeiter anzustellen. Und wenn – dann mit schlecht bezahlten, aber weitaus flexiblen Zeitverträgen. 90 Prozent der drei Millionen Spanier, die seit 2007 gekündigt wurden, arbeiten inzwischen mit Zeitvertrag.
Vorgesehen ist nun unter anderem, die zu zahlende Abfertigung auf bis zu 20 Tage zu reduzieren. Zudem sollen Firmen, die Jugendliche anstellen und trainieren, Steuervergünstigungen erhalten. Für ein grünes Licht im Parlament braucht Zapatero aber die Unterstützung der konservativen Opposition, da die Sozialisten über keine Mehrheit verfügen. Beobachter erwarten ein positives Votum.
Der wahre Test erwartet den Premier aber im Herbst: Die Gewerkschaften haben für den 29.September zum Generalstreik aufgerufen. „Die Haltung der Regierung lässt keinen Dialog zu“, polterte UGT-Chef Candido Mendez. Es wäre der erste Generalstreik seit Zapateros Amtsantritt 2004.
Brüssel will mehr Informationen
Madrid hat Brüssel „versprochen“, die Neuverschuldung von 11,2 Prozent des BIPs 2009 bis 2013 auf drei Prozent zu reduzieren. Im Mai wurde ein Sparpaket verabschiedet, mit dem in diesem und im nächsten Jahr 15 Mrd. Euro eingespart werden sollen. Geplant sind unter anderem Kürzungen der Beamtengehälter, Steuererhöhungen sowie die Erhöhung des Pensionsalters von 65 auf 67 Jahre.
„Wir sind ein solventes, solides Land mit internationalem Kredit“, versicherte Zapatero. Und klingt fast ein wenig verzweifelt. In Brüssel gibt man sich vorsichtig. Die für 2010 geplanten Sparmaßnahmen schätzte die EU-Kommission zwar als „ausreichend“ ein, doch die Pläne für die nächsten Jahre solle Madrid doch noch „konkretisieren“, so die EU-Behörde.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.06.2010)