Briten heben gesetzliches Pensionsalter an

Briten heben gesetzliches Pensionsalter
Briten heben gesetzliches Pensionsalter(c) AP (Claude Paris)
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Das Sparprogramm der neuen Regierung sieht eine Erhöhung des Pensionsantrittsalters vor, langfristig könnte die gesetzliche Frist sogar gänzlich fallen. Auch in Frankreich sollen die Menschen länger arbeiten.

London. Die neue britische Regierung überzieht das Land geradezu mit einem Feuerwerk an Maßnahmen. Nur zwei Tage nach der Vorstellung eines schmerzhaften Sparhaushalts präsentierte die konservativ-liberale Koalition am Donnerstag Pläne zur Reform des Pensionswesens. Zur „Neubelebung“ der Altersvorsorge, wie der zuständige Minister Ian Duncan Smith sagte, soll zunächst das Pensionsantrittsalter für Männer auf 66 Jahre angehoben werden.

Längerfristig könnte ein gesetzlich vorgeschriebenes Pensionsantrittsalter überhaupt fallen: Dann sollen die Menschen so lange arbeiten könne (oder müssen), wie sie wollen bzw. bis sie die notwendigen Jahre für einen Pensionsanspruch gesammelt haben.

„70 Jahre und noch höher“

Die Regierung sprach ausdrücklich von „Vorschlägen“, doch an ihrem Willen zur raschen Umsetzung besteht kein Zweifel. Nach Medienberichten soll die Anhebung des Pensionsantrittsalters für Männer bereits 2016 erfolgen, danach sollen auch Frauen folgen. Derzeit gilt für Männer und Frauen ab dem Geburtsjahrgang 1955 ein Pensionsalter von 65 Jahren.

Über die Notwendigkeit einer umfassenden Pensionsreform besteht in Großbritannien Konsens. Auch die im Mai abgewählte Labour-Regierung hat eine Erhöhung des Antrittsalters geplant, wenngleich erst im Jahr 2024 auf 66 Jahre und schrittweise auf 68 Jahre bis zum Jahr 2046.

Demgegenüber will nun die Regierungskoalition bereits „in wenigen Jahren“ die Grenze auf 70 Jahre „und vielleicht noch höher“ anheben, wie es in Regierungskreisen gestern hieß.

Mit der Pensionsreform müssen zwei wesentliche Herausforderungen bewältigt werden: Die Lebenserwartung ist in den vergangenen 25 Jahren für Männer von 71 auf 77,4 Jahre und für Frauen von 77 auf 81,6 Jahre gestiegen – mit weiter steigender Tendenz. Das führt zu immer größeren Belastungen für die Pensionskassen.

Großbritannien vertraut einem Mischsystem aus staatlicher und privater Altersvorsorge. Die staatliche Mindestpension beträgt derzeit nur 97,65 Pfund (111 Euro) in der Woche. Dennoch gibt das zuständige Arbeitsministerium nach Angaben von Duncan Smith zwei Drittel seines Jahresbudgets von knapp 100 Milliarden Pfund für Pensionen aus.

Weil Pensionen aber eine der heißesten politischen Kartoffeln überhaupt sind, bemüht sich die neue Regierung, ihren Reformeifer zugleich mit frohen Botschaften abzumildern: Ab kommendem April steigen die Pensionen wieder automatisch mit der Inflation, eine Regelung, die einst Margaret Thatcher abgeschafft und Labour nicht wieder eingeführt hat.

Dennoch reagierten die Gewerkschaften empört auf die kommende Erhöhung des Pensionsantrittsalters: „Das ist ein Schritt zurück in die Zeiten von Dickens“, meinte Bob Crow für die Rail Maritime and Transport Union.

Streiktag in Frankreich

Wenig begeistert reagierten aber auch die Arbeitgeber auf eine mögliche Aufhebung der Altersgrenze: „Das würde die Fähigkeit unserer Unternehmen beschädigen, ihre Arbeitskräfte entsprechend ihren Bedürfnissen zu managen“, warnte Adam Marshall von den British Chambers of Commerce. Den Grund dafür brachte die Interessenvereinigung National Pensioners Convention auf den Punkt: „Auch wenn wir länger arbeiten sollen, heißt das noch lange nicht, dass überhaupt genug Arbeitsplätze vorhanden sind.“

Auch in Frankreich dreht die konservative Regierung von Präsident Sarkozy am Pensionsantrittsalter – wenn auch in völlig anderen Dimensionen: Es soll von 60 auf 62 Jahre angehoben werden. Das Parlament soll die geplante Reform im Herbst behandeln.

Schon gestern gingen hunderttausende Menschen dagegen auf die Straße. Dutzende Gewerkschaften hatten zu Protestversammlungen aufgerufen, das öffentliche Leben kam wegen des Ausstands der Lehrer, der Verkehrsbediensteten und der Post weitgehend zum Stillstand. Auch Radio- und Fernsehsender waren von den Streiks betroffen, mehrere Zeitungen erschienen nicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.06.2010)

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