Konjunktur: Mantel kaufen gegen den Untergang

Mantel kaufen gegen Untergang
Mantel kaufen gegen Untergang(c) AP Frank Augstein
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Der Internationale Währungsfonds korrigiert seine Prognose nach oben, auch Josef Pröll ist zufrieden. Ganz anderer Meinung ist der US-Analyst Robert Prechter, er prophezeit den Kollaps.

Wien (mar). Bei der Frage, wie sich die Wirtschaft künftig entwickeln wird, liegen die Antworten derzeit weit auseinander. Regierungen und das Gros der Wirtschaftsforscher geben sich betont zuversichtlich – andere erwarten eine Wende, die düsterer nicht sein könnte. Zu ihnen gehört der US-Ökonom Nouriel Roubini, der 2006 die Finanzkrise vorausgesagt hat und seither ein international gefragter Experte ist. Doch Roubini, der auch „Dr. Untergang“ genannt wird, sieht neben seinem Kollegen Robert Prechter aus wie ein gut gelaunter Optimist.

Prechter betreibt in den USA ein Marktforschungsinstitut, das seine Kunden auch bei Investitionen berät. In einem viel beachteten Interview mit der „New York Times“ ließ Prechter mit seinen Äußerungen nun die üblichen Schwarzseher weit hinter sich: Prechter erwartet einen völligen Zusammenbruch der Wirtschaft in den nächsten fünf bis sechs Jahren.

Der Dow Jones, der sich derzeit Richtung 10.000 Punkte bewegt, werde einen Stand von 1000 Zählern unterschreiten. Die Krise, die dann komme, sei nicht vergleichbar mit der aktuellen Finanzkrise, der „Großen Depression“ 1929 oder der „Gründerkrise“ 1873, die in Wien ihren Ausgang nahm – sondern nur mit der „Südseeblase“ in England aus dem Jahr 1720. Dieses Ereignis habe den britischen Aktienmarkt auf mehr als hundert Jahre zerstört.

Wellenmodell als Basis

Das klingt stark nach einem Hirngespinst, wenn Prechter mit seinen Voraussagen nicht auch schon recht behalten hätte. Der 61-Jährige studierte Psychologie an der Yale Universität und war bis in die 1990er ein einflussreicher Analyst. Ende der 1970er-Jahre sagte er einen lang anhaltenden Aufschwung und 2002 die aktuelle Krise voraus. Als theoretische Basis dient ihm das Wellenmodell, das der Buchhalter Ralph Nelson Elliott in den USA in der 1930er-Jahre entwickelt hat. Elliott beschäftigte sich damals vor allem mit dem Optimismus und Pessimismus von Anlegern und postulierte ein Wellenmodell, mit dem sich sowohl tagesaktuelle als auch jahrzehntelange Entwicklungen vorhersagen lassen. Auch Elliott wurde als Sonderling belächelt, behielt aber oft genug recht.

Prechter umschreibt seine Einschätzung so: „Ich sage, der Winter kommt. Kauft einen Mantel. Andere raten dazu, nackt zu bleiben. Wenn ich nicht recht habe, werden Sie nicht verletzt. Wenn die nicht recht haben, sind Sie tot.“ Prechter rät seinen Kunden, aus Aktien rauszugehen und in Bargeld und Schatzbriefe zu investieren. Letzteres sei richtig, meint einer seiner Gegenspieler, Ralph J. Acampora, der Rest aber nicht. Die Zeitung zitiert Acampora mit den Worten: „Ich will Prechter nicht zustimmen. Denn wenn er recht hat, müssen wir nur noch mit einem Gewehr und einigen Dosensuppen in die Berge ziehen, weil dann alles vorbei ist.“

Deutlich optimistischer gibt sich Österreichs Finanzminister Josef Pröll (ÖVP), der am Montag in Brüssel auch eine Parallele zur Wetterlage zog: Angesichts des „heißen hitzigen Sommerwetters“ müsse man sagen, dass „Donner und Blitz vorbei sind, aber noch nicht ganz abgezogen“. Wenig überraschend zieht Pröll eine positive Bilanz des bisherigen Krisenmanagements. Die EU habe in einer der schwersten Krisen Handlungsfähigkeit bewiesen: „Wir sollten uns jetzt daran machen, die Zukunft zu gestalten.“

Negative Prognosen falsch

Positiv stimmt auch die jüngste Einschätzung des Internationalen Währungsfonds. Der IWF hat vor wenigen Tagen seine konjunkturelle Prognose für heuer nach oben korrigiert und erwartet nun für 2010 ein Wachstum der Weltwirtschaft von 4,6 Prozent – eine deutliche Korrektur im Vergleich zu den im Jänner erwarteten 3,9 Prozent. Die Vorhersagen seien seit Anfang des Vorjahres immer wieder deutlich nach oben korrigiert worden, meinte dazu Allianz-Chefvolkswirt Michael Heise zur „Süddeutsche Zeitung“: „Die (negativen, Anm.) Einschätzungen von damals haben sich als krass falsch erwiesen.“

Auf einen Blick

Der Prophet des Untergangs. Der US-Analyst Robert Prechter schreckt mit einem Interview in der „New York Times“ die halbe Welt auf. Seiner Meinung nach steuert das gesamte Wirtschaftssystem in Richtung Zusammenbruch. Er prognostiziert einen gewaltigen Aktien-Crash in den nächsten fünf Jahren, der Dow Jones werde unter die Marke von 1000 Punkten fallen. Seine Prognosemodelle stützen sich auf die nicht gerade unumstrittene Theorie, die in den späten 1920er- Jahren vom Buchhalter Ralph Nelson Elliott entwickelt wurde.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.07.2010)

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