IWF und EU stoppen Milliardenhilfe für Ungarn

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stoppen Milliardenhilfe fuer Ungarn(c) GEPA pictures (GEPA/ Philipp Schalber)
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Die Regierung in Budapest kann sich mit dem IWF und der EU nicht auf ein Sparprogramm einigen. Das Land erhält daher vorerst keine neuen Kredite mehr. Dies könnte den ungarischen Forint unter Druck bringen.

Budapest/Wien (höll). Der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Europäische Union haben in der Nacht auf Sonntag die Verhandlungen mit dem hoch verschuldeten Ungarn abgebrochen. Ein für diese Woche geplanter Abschlussbericht wurde auf unbestimmte Zeit verschoben.

Damit kann die Regierung in Budapest das verbliebene Drittel eines im Herbst 2008 vereinbarten Notkredits von knapp 20 Milliarden Euro nicht abrufen. Der IWF forderte das osteuropäische Land am Wochenende auf, zusätzliche Maßnahmen zum Schuldenabbau zu ergreifen. Die Regierung stünde vor „schwierigen Entscheidungen“, erklärte Christoph Rosenberg, Leiter der IWF-Mission.

Ungarns Premierminister Viktor Orbán hatte vor Kurzem einen Aktionsplan vorgelegt. Damit soll die Neuverschuldung in diesem Jahr auf 3,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und 2011 auf 3,0 Prozent gedrückt werden. Orbán plant unter anderem die Einführung einer Bankensteuer, Einschnitte im öffentlichen Dienst und bei den Sozialleistungen sowie einen Umbau des Steuersystems. Das reicht aber nach Berechnungen des IWF nicht aus, um die Defizitziele zu erreichen. Vor allem auf der Ausgabenseite müssten „nachhaltige“ Maßnahmen ergriffen werden.

Auch EU-Währungskommissar Olli Rehn sagte am Samstag in Brüssel, das osteuropäische Land müsse wesentlich mehr tun: „Die für das nächste Jahr geplante Korrektur des ausgeuferten Haushaltsdefizits bedarf harter Einschnitte, vor allem bei den Ausgaben“, mahnte Rehn.

Auswirkungen auf Österreich

Ungarns Wirtschaftsminister György Matolcsy war am Sonntag um Schadensbegrenzung bemüht. Er versicherte, die Regierung wolle die geforderten Reformen umsetzen. Das Land habe vor, „so schnell wie möglich“ eines der „wettbewerbsfähigsten und stabilsten“ Länder Mitteleuropas zu werden, sagte der Minister.

Analysten befürchten jedoch, dass die ungarische Währung Forint am Montag unter Druck geraten wird. Auch die Kurse an der Budapester Börse könnten nach dem Wegfall des IWF-Sicherheitsnetzes einbrechen. Dies dürfte auch negative Auswirkungen auf Österreich haben. Wegen der Krise in Ungarn sind zuletzt die Risikoaufschläge auf österreichische Staatsanleihen gestiegen. Denn die heimische Wirtschaft, vor allem die Banken, sind eng mit Osteuropa verflochten.

Ungarn, seit 2004 EU-Mitglied, ist neben Lettland und der Ukraine einer von drei osteuropäischen Staaten, die von der Wirtschaftskrise besonders stark getroffen wurden. Mit den milliardenschweren Hilfszusagen konnten der IWF und die Europäische Union vor knapp zwei Jahren den Staatsbankrott Ungarns abwenden. Das Geld wird in mehreren Tranchen ausbezahlt.

Unruhe bei den Investoren

Bereits Anfang Juni sorgten Äußerungen ungarischer Regierungsvertreter über eine drohende Zahlungsunfähigkeit des Landes für Unruhe. Prognosen, wonach die Neuverschuldung heuer auf bis zu 7,5 Prozent steigen könnte, ließen den ungarischen Forint gegenüber dem Euro vorübergehend um acht Prozent abstürzen. Die Kosten für Ausfallsversicherungen auf ungarische Staatsanleihen stiegen kräftig. Investoren fürchteten, die Schuldenkrise könnte nach Griechenland, Spanien und Portugal auf Osteuropa übergreifen.

Der Streit zwischen IWF und Ungarn wird von Österreichs Banken aufmerksam verfolgt. Zur Sanierung des Budgets hat die Budapester Regierung die Einführung einer Bankensteuer angekündigt. Diese soll jährlich 700 Millionen Euro bringen. Die erste Rate soll bereits im September eingehoben werden, die zweite Tranche im Dezember.

Höchste Bankensteuer der Welt

Gemessen an der Wirtschaftsleistung wäre die Bankengebühr in Ungarn die höchste der Welt. „Die Höhe der Abgabe ist völlig unangemessen“, findet etwa Ewald Nowotny, Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB). „Eine so massive Steuer könnte negative Effekte auf die ungarische Wirtschaft haben“, befürchtet Nowotny. Daher erscheine ihm eine Koordinierung der Abgabe auf EU-Ebene sinnvoll. Noch ist offen, ob die Gebühr auch von den Versicherungen eingehoben wird.

Österreichs Banken kommen in Ungarn auf einen Marktanteil von 22 Prozent. Sie müssten im schlimmsten Fall mehr als 150 Millionen Euro zahlen. Herbert Stepic, Chef von Raiffeisen International, empfindet diesen Betrag als „große Belastung“. Zudem befürchtet er, dass in Osteuropa weitere Regierungen eine Abgabe einheben wollen.

Die in Ungarn tätigen Auslandsbanken haben den IWF und die EU um Hilfe angerufen. Die Finanzlobby scheint zumindest hier einen Teilerfolg erzielt zu haben. Denn der IWF forderte die Budapester Regierung ausdrücklich dazu auf, bei den Ausgaben zu sparen. Und die EU erklärte, Ungarn müsse attraktiv für ausländische Investoren bleiben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.07.2010)

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