Ungarn nach Streit mit dem IWF unter Druck

Ungarn nach Streit unter
Ungarn nach Streit unter(c) Reuters
  • Drucken

Anleger reagieren nervös auf das Platzen der Gespräche mit dem Währungsfonds: Die ungarische Währung Forint verlor an Wert, die Kurse für Ausfallversicherungen von Staatsanleihen schnellten in die Höhe.

Wien/Budapest. In Ungarn lief am Montag die Innenpolitik ihre gewohnten, ideologisch gewundenen Pfade: Wirtschaftsminister György Matolcsy befand bei einem Wien-Besuch, es sei „alles in Ordnung“, weil die Bevölkerung nicht belastet werde. Ministerpräsident Viktor Orbán verwies neugierige Frager wie die TV-Station CNBC an den abwesenden Matolcsy, weil dieser „für Forint und IWF zuständig“ sei. Die rechtsradikale Partei „Jobbik“ jubelte, dass die Delegation des Internationalen Währungsfonds (IWF) „davongejagt“ worden sei. Und die von der konservativen Fidesz-Koalition abgelösten Sozialisten befanden, die Musterinstitution des Kapitalismus habe recht gehabt, die Verhandlungen abzubrechen.

Nur die Anleger reagierten nervös. Die geplanten Sparmaßnahmen der Budapester Regierung seien zu niedrig, die Bankenabgabe zu hoch, kritisierte die gemeinsame Delegation von IWF und EU, als sie nach zwei Wochen Budapest ohne Ergebnis verlassen hatte. Seither kann Ungarn nicht mehr auf die letzte Rate eines 20 Mrd. Euro schweren Notkredits zugreifen, den das Land 2008 ausgehandelt hat. Der Forint büßte am Montag zwischenzeitlich drei Prozent an Wert ein, Versicherungen für den Ausfall ungarischer Staatsanleihen verteuerten sich um rund 14 Prozent.

Festhalten an der Bankensteuer

Mit 78,9 Prozent des BIPs hat Ungarn die höchsten Staatsschulden in der Region und hängt deshalb besonders stark von schwankenden Investitionen ab. Auch wenn Budapest derzeit kein Geld von IWF und EU benötigt, könne sich das Land langfristig nicht ohne die beiden Kreditgeber finanzieren, sind sich Analysten einig.

Für Matolcsy ist all das offenbar kein Anlass zur Besorgnis. Demonstrative Gelassenheit war es, die der ungarische Wirtschaftsminister am Montag bei seinem Amtskollegen Reinhold Mitterlehner in Wien ausstrahlen wollte. Die Gespräche mit IWF und EU seien nun einmal vorerst beendet. Das Aus bedeute das alles nicht. Schon im September seien weitere Verhandlungsrunden geplant. Die geforderten Strukturreformen seien ohnedies auf dem Weg.

Nur an der umstrittenen Bankensteuer wollte Matolcsy auch am Montag nicht rütteln. Ungarn plant, seine Staatsfinanzen mit Hilfe einer neuen Abgabe für Finanzinstitutionen zu stopfen. 750 Mio. Euro erwartet sich Budapest pro Jahr davon. Österreichs Banken, die etwas mehr als ein Fünftel des ungarischen Marktes beherrschen, würden mit 150 Mio. Euro zur Kasse gebeten. Branchenvertreter kritisierten die Abgabe als unverhältnismäßig hoch. Matolcsy meint dagegen, eine vergleichbare Finanzabgabe sei auch für andere Länder in der EU „unvermeidbar“.

Für heuer gebe es „keine Möglichkeit, etwas an der Bankensteuer zu ändern“, sagte der Minister. Die Alternative seien härtere Sparmaßnahmen, die man der Bevölkerung ersparen wolle. Am 3. Oktober stehen Regional- und Lokalwahlen an. Für das kommende Jahr zeigte sich Matolcsy aber gesprächsbereit. „Sowohl Höhe als auch Struktur und Bemessungsgrundlage der Bankensteuer“ könnten neu verhandelt werden.

In einem Punkt wurden die zur Beruhigung gedachten Äußerungen Matolcsys bestätigt: Die Sistierung der Verhandlungen hätte keine sofortigen Konsequenzen, bestätigte zu Mittag Ton Van Lierop, Sprecher der EU-Kommission.

Kritik aus der Slowakei

Ungarns Medien zitierten den von Reuters interviewten Analysten der K&H Bank, György Barcza, wonach das Ende der Welt nicht gekommen sei: Auch Rumänien und die Ukraine hätten ähnliche Erfahrungen mit dem IWF gemacht. Anderen Analysten war allein der Vergleich mit den „unsicheren Kantonisten“ ein Gräuel. Als besonders hart empfanden ungarische Analysten die Kommentare slowakischer Medien. Die liberale Tageszeitung „Sme“ schrieb, „die Welt“ glaube nicht, was die ungarischen Wähler glaubten: dass der Staat auf Dauer seinen Bürgern mehr zahlen könne, als seine Einnahmen erlaubten und dass die Probleme der ungarischen Wirtschaft mit Orbáns 29-Punkte-Aktionsplan gelöst werden könnten.

Das sei auch für die Slowaken schlecht, „nicht nur, weil Orbán seine Unfähigkeit zu gutem Wirtschaften – ähnlich wie früher in der Slowakei Robert Fico– mit Nationalismus zu verdecken versuchen wird, sondern auch, weil die slowakische und die ungarische Wirtschaft sehr eng verknüpft sind“, meinte das Blatt weiter.

Pragmatischen Rat erteilte das ehemalige slowakische KP-Organ „Pravda“: Wenn Orbán nicht wolle, dass der Euro-Kurs über 300 Forint steige „und damit die von den Ungarn aufgenommenen Kredite teurer werden“, müsse er Sofortmaßnahmen ergreifen. Am Montag kletterte der Euro erstmals seit Wochen wieder über 292 Forint.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.07.2010)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

A clerk counts money at OTP bank, Hungarys largest, in Budapests largest, in Budapest
International

Forint gibt nach: "Schutznetz über Ungarn weggezogen"

EU und IWF haben Verhandlungen mit Ungarn abgebrochen. Es gab massive Meinungsunterschiede zum Sparkurs des Landes. Finanzexperten rechnen nun mit weiteren Erschütterungen auf dem Devisen- und Aktienmarkt.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.